Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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schuld sind, aus Freude über diesen schönen, reinen und klaren Sinn, und 
unsere Söhne so erzogen zu haben, daß sie einst erringen werden, was wir 
verscherzten. 
Von diesem und jenem wurde ein und das andere Ermunternde gesprochen; 
dann ging man auf den Burghof, bis die Tafeln gedeckt wären. Da bildeten sich 
hier Gruppen, dort Haufen, die gingen, jene standen. Was soeben in einem 
kirchlichen Akt vorgetragen worden, wiederholte sich nun im freundlichen, geselligen 
Kreise. Jeder war begeistert; jeder war zur Annäherung, jeder zur Aussöhnung, 
jeder zur Vereinigung gestimmt. Eine große Masse Menschen wirkt mesmerischt) 
aufeinander und regt das Gefühl der Ohnmacht des einzelnen, die Kraft der 
Menge auf und spricht mit Ungestüm in die Seele: Nur im Ganzen ist Heil! 
In einer der Gruppen wurde ungefähr solchergestalt gesprochen: Liebe 
Freunde! Diesen Augenblick der Rührung und Stimmung müßt ihr nicht ver— 
rauchen lassen. Er kommt nie wieder. Jetzt werdet ihr einig oder niemals! . .. 
Von der Burg müßt ihr keinen weggehen lassen, ohne daß er etwas Wirkliches 
mitnimmt . . . In die Tasche müßt ihr den Burschen etwas geben. Nur wenige 
Gesetze; aber mit Worten ausgesprochen, daß alle Studenten eins sind, daß sie 
alle zu einer einzigen Landsmannschaft gehören, der deutschen, daß sie alle 
einerlei Vorschriften und Gebräuche befolgen. 
Euer Name sei, was ihr allein und ausschließlich seid, nämlich Studenten— 
schaft oder Burschenschaft. Dazu gehört ihr alle, und niemand anders. Hütet 
euch aber, ein Abzeichen zu tragen und so zur Partei herabzusinken; das be— 
wiese, daß ihr nicht wißt, daß der Stand der Gebildeten in sich den ganzen Staat 
wiederholt und also sein Wesen zerstört durch Zersplitterung in Parteien. Auch 
bewahret euch vor dem Wahn, als wäret ihr es, auf denen Deutschlands Sein 
und Dauer und Ehre beruhte. Deutschland ruht nur auf sich selbst, auf dem 
Ganzen. Jede Menschenzunft ist nur ein Glied am Leibe, der Staat heißt, das 
zu dessen Erhaltung nur soviel beiträgt, als ihm sein Standort gestattet. Eure 
Bestimmung ist zwar, einst als Teile des Kopfes zu wirken; aber der Kopf ist 
ohnmächtig, wenn die Glieder und Eingeweide den Dienst versagen. Ihr aber 
seid jetzt Jugend, der kein anderes Geschäft zukommt, als sich so einzurichten, daß 
sie gedeihlich wachse, sich bilde, sich nicht durch eitle Gebräuche aufreibe, daß sie 
also sich zu diesem Zwecke verbinde und sich um anderes nicht anders kümmere, 
als insofern man das Ziel scharf ins Auge faßt, nach dem man laufen soll. Der 
Staat ist euch jetzt fremd, und nur insofern gehört er euer, als ihr einst wirksame 
Teile darin werden könnet. Ihr habt nicht zu bereden, was im Staat geschehen 
oder nicht soll; nur das geziemt euch zu überlegen, wie ihr einst im Staat 
handeln sollt, und wie ihr euch dazu würdig vorbereitet. Kurz, alles was ihr tut, 
müßt ihr bloß in bezug auf euch, auf das Studentenwesen tun und alles andere 
als eurer Beschäftigung, als eurem Wesen fremd ausschließen — auf daß euer 
Beginnen nicht lächerlich werdi .. 
Das überlegt! Geht nicht auseinander, wie ihr gekommen seid! Einige 
Grundgesetze macht, und gebt sie jedem mit nach Hause. Ein geschriebenes Wort 
hat Wunderkraft! — Auf Wiedersehen, doch nicht vor drei Jahren! 
1) Nach dem kurz vorher verstorbenen Wunderarzt Mesmer, dem Begründer der 
Lehre von einer den tierischen Leibern innewohnenden Kraft, die der des Magnets ähnlich 
sein sollte, und die er daher den „tierischen Magnetismus“ nannte.
	        
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