Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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gleich meinen Vorfahren und mit der Mehrheit meiner Untertanen bekenne, ge— 
stattet uns nicht, in dem Verhältnis zu. Gott einen anderen Vermittler als unseren 
Herrn Jesum Christum anzunehmen. — Diese Verschiedenheit des Glaubens hält 
mich nicht ab, mit denen, welche den unseren nicht teilen, in Frieden zu leben 
und Eurer Heiligkeit den Ausdruck meiner persönlichen Ergebenheit und Verehrung 
darzubringen. Wilhelm. 
70. 
Kaiser Wilhelms Empfindungen im Hinblickaufdie beiden Mordversuche. 
1878. 
Quelle: Letztwillige Aufzeichnung vom 31. Dezember 1878. 
Fundort: Erich Brandenburg a. a. O. S. 298—300. 
Berlin, 31. Dezember 1878, ½11 Uhr abends. 
Es geht ein Jahr zu Ende, das für mich ein verhängnisvolles sein sollte. 
Ereignisse von erschütternder Art trafen mich am 11. Mai und am 2. Juni. 
Die körperlichen Leiden traten zurück gegen den Schmerz, daß preußische 
Landeskinder eine Tat vollbrachten, die am Schlusse meiner Lebenstage doppelt 
schwer zu überwinden war und mein Herz und Gemüt für den Rest meiner Tage 
finster erscheinen läßt! Doch muß ich mich ergeben in den Willen Gottes, der 
dies alles zuließ, aber zugleich seine Gnade und Barmherzigkeit walten ließ, die 
mich zu meinen Berufsgeschäften wieder fähig machte. So preise ich Gott für 
diese seine Führung, in der ich zugleich eine Mahnung erkenne, mich zu prüfen, 
ehe ich vor dem Richterstuhl des Allmächtigen erscheinen soll! Daher erkenne ich 
in den so sichtbar gewordenen Ereignissen eine gnadenvolle Führung Gottes, die 
zum Guten führen soll wie alles, was von ihm in Leid und Freude uns trifft. 
Darum preise ich die Vorsehung für die schmerzensvollen Ereignisse des ablaufenden 
Jahres. Sie haben mir auch Erhebendes gebracht durch die Teilnahme, die mir 
von allen Seiten zuteil wurde. 
Zunächst findet hier meine Gemahlin meinen heißen Dank für ihre Liebe und 
Teilnahme, die sie mir, selbst leidend, schenkte, demnächst meine Tochter, die mit 
kindlicher Liebe mich pflegte und mir so wohltat. Alle Familienmitglieder nah und 
fern finden hier meinen liebevollen Dank für alles, was sie mir Teilnehmendes in 
der Schmerzenszeit bewiesen. Allen denen, die in so überraschender Weise meiner 
gedachten, gebührt hier mein inniger Dank. Und woher kam diese Teilnahme? 
Von wo anders als vom Allmächtigen, dessen Führung es wollte, daß ich in der 
Welt so gestellt wurde, daß seine Gnade sich jedermann einprägte, die über mir 
waltete. Und in dieser Waltung erkenne ich wiederum seine Liebe und Barm- 
herzigkeit, daß er mich ausrüstete, seinen Willen hier auf Erden zu vollführen, und 
er mich und mein Volk würdig fand, das übertragene Pfund zu verwalten. Also 
wiederum nur Gottes Gnade preise ich in allem, was mir von Menschen in der 
Leidenszeit Gutes zuteil ward. Aber nicht bloß in dieser Leidenszeit zeigte sich 
diese Teilnahme, sondern jederzeit habe ich sie in einem Maße empfangen, das 
weit über das Verdienst ging, mit dem ich jenes Pfund verwalten konnte. Die 
Menschen haben meine Schwächen und Fehler übersehen wollen; aber der, welcher 
sie kennt, wolle mir dereinst ein barmherziger Richter sein, wo ich die Lehren und 
Weisungen des eingeborenen Sohnes des himmlischen Vaters nicht achtete! Herr, 
dein Wille geschehe im Himmel, also auch auf Erden. Im Glauben ist die Hoff- 
nung und die himmlische Liebe der Weg dahin! Amen! Wilhelm.
	        
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