Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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einer dritten Macht oder sonstwie Osterreich-Ungarn oder Italien genötigt wären, 
den Statusquo durch eine zeitweilige oder dauernde Besetzung ihrerseits zu ver— 
ändern, so würde diese Besetzung nur stattfinden nach einer vorangehenden Über- 
einkunft zwischen den beiden Mächten, welche auf dem Prinzip einer gegenseitigen 
Kompensation für alle territorialen oder anderweitigen Vorteile, die eine jede 
von ihnen über den gegenwärtigen Statusquo hinaus erlangen würde, zu be- 
ruhen und die Interessen und berechtigten Ansprüche der beiden Teile zu be- 
friedigen hätte. 
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Grundsätze der deutschen Kolonialpolitik. 
1884. 
Quelle: Rede Bismarcks im Reichstage vom 26. Juni 1884. 
Fundort: L. Hahn, Fürst Bismarck. Bd. 5. S. 47—50. 
Was die Kolonialfrage im engeren Sinne anlangt, so wiederhole ich die 
Genesis derselben, wie ich sie damals angegeben habet). Wir sind zuerst durch die 
Unternehmung hanseatischer Kaufleute?), verbunden mit Terrainankäufen und ge- 
folgt von Anträgen auf Reichsschutz, dazu veranlaßt worden, die Frage, ob wir 
diesen Reichsschutz in dem gewünschten Maße versprechen könnten, einer näheren 
Prüfung zu unterziehen. Ich wiederhole, daß ich gegen Kolonien, — ich will 
sagen nach dem System, wie die meisten im vorigen Jahrhundert waren, was 
man jetzt das französische System nennen könnte — gegen Kolonien, die als 
Unterlage ein Stück Land schaffen und dann Auswanderer herbeizuziehen suchen, 
Beamte anstellen und Garnisonen errichten, — daß ich meine frühere Abneigung 
gegen diese Art Kolonisation, die für andere Länder nützlich sein mag, für uns 
aber nicht ausführbar ist, heute noch nicht aufgegeben habe. Ich glaube, daß man 
Kolonialprojekte nicht künstlich schaffen kann, und alle Beispiele, die der Herr 
Abgeordnete Bamberger in der Kommission als abschreckend anführte, waren 
darauf zurückzuführen, daß dieser falsche Weg eingeschlagen war, daß man ge- 
wissermaßen einen Hafen hatte bauen wollen, wo noch kein Verkehr war, eine 
Stadt hatte bauen wollen, wo noch die Bewohner fehlten, wo dieselben erst 
künstlich herbeigezogen werden sollten. 
Etwas ganz anderes ist die Frage, ob es zweckmäßig, und zweitens, ob es die 
Pflicht des Deutschen Reiches ist, denjenigen seiner Untertanen, die solchen Unter- 
nehmungen im Vertrauen auf des Reiches Schutz sich hingeben, diesen Reichs- 
schutz zu gewähren und ihnen gewisse Beihilfen in ihren Kolonialbestrebungen zu 
leisten, um denjenigen Gebilden, die aus den überschüssigen Säften des gesamten 
deutschen Körpers naturgemäß herauswachsen, in fremden Ländern Pflege und 
Schutz angedeihen zu lassen. Und das bejahe ich, allerdings mit weniger Sicherheit 
vom Standpunkte der Zweckmäßigkeit — ich kann nicht voraussehen, was daraus 
wird — aber mit unbedingter Sicherheit vom Standpunkte der staatlichen Pflicht. 
Ich kann mich dem nicht entziehen. Ich bin mit einem gewissen Zögern an 
die Sache herangetreten und habe mich gefragt: „Womit könnte ich es recht- 
fertigen, wenn ich diesen Unternehmungen, über deren Mut — ich habe die 
1) In einer Sitzung des Reichstagsausschusses. 
2) Bismarck denkt hier in erster Linie an die Unternehmungen und Erwerbungen 
des Bremer Kaufmanns Lüderitz in Südwestafrika.
	        
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