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führt wird, wie der von 1870, wo wir ruchlos angegriffen wurden. Es ist mir
noch erinnerlich der ohrengellende, freudige Zuruf am Kölner Bahnhofe, und so
war es von Berlin bis Köln, so war es hier in Berlin. Die Wogen der Volks-
stimmung trugen uns in den Krieg hinein; wir hätten wollen mögen oder nicht.
So muß es auch sein, wenn eine Volkskraft wie die unsere zur vollen Geltung
kommen soll .. Ein Krieg, zu dem wir nicht vom Volkswillen getragen werden,
der wird geführt werden, wenn schließlich die verordneten Obrigkeiten ihn für
nötig halten und erklärt haben; er wird auch mit vollem Schneid und vielleicht
siegreich geführt werden, wenn man erst einmal Feuer bekommen und Blut ge-
sehen hat. Aber es wird nicht von Hause aus der Elan und das Feuer dahinter
sein, wie in einem Kriege, wenn wir angegriffen werden. Dann wird das ganze
Deutschland von der Memel bis zum Bodensee wie eine Pulvermine aufbrennen
und von Gewehren starren, und es wird kein Feind wagen, mit diesem fkuror
teutonicus, der sich bei dem Angriff entwickelt, es aufzunehmen .. Wenn unsere
Gegner etwa vermuten, daß es die Furcht vor dem Ausgange ist, der uns fried-
fertig stimmt, dann irren sie sich ganz gewaltig. Also es ist nicht die Furcht, die
uns friedfertig stimmt, sondern gerade das Bewußtsein unserer Stärke, das Be-
wußtsein, auch dann, wenn wir in einem minder günstigen Augenblicke angegriffen
werden, stark genug zu sein zur Abwehr und doch die Möglichkeit zu haben, der
göttlichen Vorsehung es zu überlassen, ob sie nicht in der Zwischenzeit doch noch
die Notwendigkeit eines Krieges aus dem Wege räumen wird.
.. Es ist ja unzweifelhaft, daß die Drohungen und die Beschimpfungen, die
Herausforderungen, die an uns gerichtet worden sind, auch bei uns eine ganz er-
hebliche und berechtigte Erbitterung erregt haben, und das ist beim Deutschen recht
schwer; denn er ist dem Nationalhaß an sich unzugänglicher wie irgend eine andere
Nation; wir sind aber bemüht, sie zu besänftigen, und wir wollen nach wie vor
den Frieden mit unseren Nachbarn ... Dieses Bestreben wird uns noch immer
einigermaßen erschwert durch drohende Zeitungsartikel vom Auslande, und ich
möchte die Mahnung hauptsächlich an das Ausland richten, doch diese Drohungen
zu unterlassen. Sie führen zu nichts. Die Drohung, die wir — nicht von der
Regierung — aber in der Presse erfahren, ist eigentlich eine unglaubliche Dumm-
heit, wenn man bedenkt, daß man eine große und stolze Macht, wie es das
Deutsche Reich ist, durch eine gewisse drohende Gestaltung der Druckerschwärze,
durch Zusammenstellung von Worten glaubt einschüchtern zu können. Man sollte
das unterlassen; dann würde man es uns leichter machen, unseren beiden Nach-
barn auch gefälliger entgegenzukommen. Jedes Land ist auf die Dauer doch für
die Fenster, die seine Presse einschlägt, irgend einmal verantwortlich; die Rech-
nung wird an irgend einem Tage präsentiert in der Verstimmung des anderen
Landes. Wir können durch Liebe und Wohlwollen leicht bestochen werden — viel-
leicht zu leicht, — aber durch Drohungen ganz gewiß nicht! Wir Deutsche
fürchten Gott, aber sonst — nichts in der Welt, und die Gottesfurcht ist es
schon, die uns den Frieden lieben und pflegen läßt. Wer ihn aber trotzdem bricht,
der wird sich überzeugen, daß die kampfesfreudige Vaterlandsliebe, welche 1813
die gesamte Bevölkerung des damals schwachen, kleinen und ausgesogenen Preußen
unter die Waffen rief, heutzutage ein Gemeingut der ganzen deutschen Nation
ist, und daß derjenige, welcher die deutsche Nation irgendwie angreift, sie ein-
heitlich gewaffnet finden wird und jeden Wehrmann mit dem festen Glauben im
Herzen: Gott wird mit uns sein!