Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

— 136 — 
führt wird, wie der von 1870, wo wir ruchlos angegriffen wurden. Es ist mir 
noch erinnerlich der ohrengellende, freudige Zuruf am Kölner Bahnhofe, und so 
war es von Berlin bis Köln, so war es hier in Berlin. Die Wogen der Volks- 
stimmung trugen uns in den Krieg hinein; wir hätten wollen mögen oder nicht. 
So muß es auch sein, wenn eine Volkskraft wie die unsere zur vollen Geltung 
kommen soll .. Ein Krieg, zu dem wir nicht vom Volkswillen getragen werden, 
der wird geführt werden, wenn schließlich die verordneten Obrigkeiten ihn für 
nötig halten und erklärt haben; er wird auch mit vollem Schneid und vielleicht 
siegreich geführt werden, wenn man erst einmal Feuer bekommen und Blut ge- 
sehen hat. Aber es wird nicht von Hause aus der Elan und das Feuer dahinter 
sein, wie in einem Kriege, wenn wir angegriffen werden. Dann wird das ganze 
Deutschland von der Memel bis zum Bodensee wie eine Pulvermine aufbrennen 
und von Gewehren starren, und es wird kein Feind wagen, mit diesem fkuror 
teutonicus, der sich bei dem Angriff entwickelt, es aufzunehmen .. Wenn unsere 
Gegner etwa vermuten, daß es die Furcht vor dem Ausgange ist, der uns fried- 
fertig stimmt, dann irren sie sich ganz gewaltig. Also es ist nicht die Furcht, die 
uns friedfertig stimmt, sondern gerade das Bewußtsein unserer Stärke, das Be- 
wußtsein, auch dann, wenn wir in einem minder günstigen Augenblicke angegriffen 
werden, stark genug zu sein zur Abwehr und doch die Möglichkeit zu haben, der 
göttlichen Vorsehung es zu überlassen, ob sie nicht in der Zwischenzeit doch noch 
die Notwendigkeit eines Krieges aus dem Wege räumen wird. 
.. Es ist ja unzweifelhaft, daß die Drohungen und die Beschimpfungen, die 
Herausforderungen, die an uns gerichtet worden sind, auch bei uns eine ganz er- 
hebliche und berechtigte Erbitterung erregt haben, und das ist beim Deutschen recht 
schwer; denn er ist dem Nationalhaß an sich unzugänglicher wie irgend eine andere 
Nation; wir sind aber bemüht, sie zu besänftigen, und wir wollen nach wie vor 
den Frieden mit unseren Nachbarn ... Dieses Bestreben wird uns noch immer 
einigermaßen erschwert durch drohende Zeitungsartikel vom Auslande, und ich 
möchte die Mahnung hauptsächlich an das Ausland richten, doch diese Drohungen 
zu unterlassen. Sie führen zu nichts. Die Drohung, die wir — nicht von der 
Regierung — aber in der Presse erfahren, ist eigentlich eine unglaubliche Dumm- 
heit, wenn man bedenkt, daß man eine große und stolze Macht, wie es das 
Deutsche Reich ist, durch eine gewisse drohende Gestaltung der Druckerschwärze, 
durch Zusammenstellung von Worten glaubt einschüchtern zu können. Man sollte 
das unterlassen; dann würde man es uns leichter machen, unseren beiden Nach- 
barn auch gefälliger entgegenzukommen. Jedes Land ist auf die Dauer doch für 
die Fenster, die seine Presse einschlägt, irgend einmal verantwortlich; die Rech- 
nung wird an irgend einem Tage präsentiert in der Verstimmung des anderen 
Landes. Wir können durch Liebe und Wohlwollen leicht bestochen werden — viel- 
leicht zu leicht, — aber durch Drohungen ganz gewiß nicht! Wir Deutsche 
fürchten Gott, aber sonst — nichts in der Welt, und die Gottesfurcht ist es 
schon, die uns den Frieden lieben und pflegen läßt. Wer ihn aber trotzdem bricht, 
der wird sich überzeugen, daß die kampfesfreudige Vaterlandsliebe, welche 1813 
die gesamte Bevölkerung des damals schwachen, kleinen und ausgesogenen Preußen 
unter die Waffen rief, heutzutage ein Gemeingut der ganzen deutschen Nation 
ist, und daß derjenige, welcher die deutsche Nation irgendwie angreift, sie ein- 
heitlich gewaffnet finden wird und jeden Wehrmann mit dem festen Glauben im 
Herzen: Gott wird mit uns sein!
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.