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äußeren Einflüssen widerstehend, in ihrer Eigenart sich konsequent entwickelt hat,
ein Wesen von eigentümlich kristallinischem Gefüge, welches durch alle Phasen der
Entwicklung sich erhalten, in allen natürlichen Metamorphosen stets seinen Charakter
bewahrt hat. Schon in dem wunderhübschen, sehr mädchenhaften Knaben, dessen
Zartheit durch eine sehr peinliche Unbeholfenheit des linken Armes bis zur
Schwäche gesteigert wurde, frappierte der Widerstand, den jeder Druck, jeder Ver-
such, das innere Wesen in eine bestimmte Form zu zwängen, hervorrief .....
Schon der Zucht des Denkens widerstrebte die spröde Natur auf das äußerste.
Der von frühester Jugend an allen Fürstenkindern zuströmende Überfluß von Vor-
stellungen und Empfindungen hat leicht eine gewisse Zerfahrenheit im Denken und
Blasiertheit im Fühlen zur Folge. Die Bekämpfung solchen unheilvollen Mangels
an Konzentrationsfähigkeit ist überall eine der wichtigsten Aufgaben der Prinzen-
erziehung. Diese war bei solcher an sich so spröden Natur schwer zu lösen. Nur
die äußerste Strenge und das energische Zusammenwirken aller konkurrierenden
Autoritäten vermochte das Widerstreben zu überwältigen, bis das erwachte Be-
wußtsein den eigenen Willen zum Beistand heranführte, womit dann jede Schwierigkeit
bald gehoben war.
Selbst diesem zeitweise gewaltigen Druck der methodisch vorgehenden moralischen
Mächte entzog sich aber stets das innere Wesen des heranwachsenden Prinzen;
es entwickelte sich seiner Natur gemäß stetig fort, von den äußeren Einflüssen be-
rührt, modifiziert, dirigiert, aber niemals wesentlich verändert oder verschoben. So
hat er von der eminent künstlerisch begabten und beschäftigten Mutter wohl eine
gewisse Freude an der Ausübung des eigenen ererbten Talents und eine warme
Begeisterung für alle Schöpfungen der Kunst, von dem bürgerlich liberalen Vater
die volle Freiheit von aller Kastenbefangenheit und Standesüberhebung, von dem
philosophisch räsonierenden Erzieher eine gewisse Neigung zum Disputieren und
Argumentieren übernommen; aber überwältigend ist die Einwirkung auch dieser
höchsten Autoritäten nicht gewesen; keine hat dem spröden Material ihr Gepräge
zu geben vermocht ... Diese kräftige eigenartige Pflanze sog aus allem ihr Ge-
botenen das für ihre besondere Entwicklung Brauchbare und assimilierte es für sich
zu fröhlichem Wachstum.
Die Kirchenlehre wurde ihm geraume Zeit von einem liberalen und dann nach
plötzlichem Wechsel von einem streng orthodoxen Geistlichen vorgetragen. Die ge-
fürchtete Verwirrung der Begriffe trat keineswegs ein; die eigentümliche Fähigkeit
dieses in seinem Wege unbeirrbaren Geistes, überall das zu nehmen, was ihm zu-
sagt, ließ ihn auch seine religiösen Vorstellungen aus gebotenem Material mit eigener
Arbeit zu persönlichem Gebrauch zusammenstellen. Und wohl ihm und uns, daß
dies seinem Wesen gemäß war, und daß es ihm gelungen! Zum obersten Bischof
der Kirche ist er dadurch sehr wohl geeignet, zum Parteihaupt sehr wenig.
Den Anschauungen der Eltern gemäß war der Erziehung die Aufgabe gestellt,
im Gegensatz zur Tradition dem Interesse für das bürgerliche Leben den Vorrang
vor dem militärischen in dem heranwachsenden Prinzen zu verschaffen. Die ver-
schiedensten Mittel wurden dazu angewandt und alle sich bietenden Gelegenheiten
benutzt; die ungewöhnliche Verpflanzung des Prinzen nach Kassel geschah zum
guten Teil auch von diesem Gesichtspunkte aus. Museen und Fabriken, Werk-
stätten und Bergwerke wurden eifrigst besucht und studiert; aber neben der regen
Sympathie an dem Schul-, Studenten= und Volksleben wuchs das angeborene
militärische Interesse kräftig empor, bis es sich einen breiten Platz im Träumen,