Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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äußeren Einflüssen widerstehend, in ihrer Eigenart sich konsequent entwickelt hat, 
ein Wesen von eigentümlich kristallinischem Gefüge, welches durch alle Phasen der 
Entwicklung sich erhalten, in allen natürlichen Metamorphosen stets seinen Charakter 
bewahrt hat. Schon in dem wunderhübschen, sehr mädchenhaften Knaben, dessen 
Zartheit durch eine sehr peinliche Unbeholfenheit des linken Armes bis zur 
Schwäche gesteigert wurde, frappierte der Widerstand, den jeder Druck, jeder Ver- 
such, das innere Wesen in eine bestimmte Form zu zwängen, hervorrief ..... 
Schon der Zucht des Denkens widerstrebte die spröde Natur auf das äußerste. 
Der von frühester Jugend an allen Fürstenkindern zuströmende Überfluß von Vor- 
stellungen und Empfindungen hat leicht eine gewisse Zerfahrenheit im Denken und 
Blasiertheit im Fühlen zur Folge. Die Bekämpfung solchen unheilvollen Mangels 
an Konzentrationsfähigkeit ist überall eine der wichtigsten Aufgaben der Prinzen- 
erziehung. Diese war bei solcher an sich so spröden Natur schwer zu lösen. Nur 
die äußerste Strenge und das energische Zusammenwirken aller konkurrierenden 
Autoritäten vermochte das Widerstreben zu überwältigen, bis das erwachte Be- 
wußtsein den eigenen Willen zum Beistand heranführte, womit dann jede Schwierigkeit 
bald gehoben war. 
Selbst diesem zeitweise gewaltigen Druck der methodisch vorgehenden moralischen 
Mächte entzog sich aber stets das innere Wesen des heranwachsenden Prinzen; 
es entwickelte sich seiner Natur gemäß stetig fort, von den äußeren Einflüssen be- 
rührt, modifiziert, dirigiert, aber niemals wesentlich verändert oder verschoben. So 
hat er von der eminent künstlerisch begabten und beschäftigten Mutter wohl eine 
gewisse Freude an der Ausübung des eigenen ererbten Talents und eine warme 
Begeisterung für alle Schöpfungen der Kunst, von dem bürgerlich liberalen Vater 
die volle Freiheit von aller Kastenbefangenheit und Standesüberhebung, von dem 
philosophisch räsonierenden Erzieher eine gewisse Neigung zum Disputieren und 
Argumentieren übernommen; aber überwältigend ist die Einwirkung auch dieser 
höchsten Autoritäten nicht gewesen; keine hat dem spröden Material ihr Gepräge 
zu geben vermocht ... Diese kräftige eigenartige Pflanze sog aus allem ihr Ge- 
botenen das für ihre besondere Entwicklung Brauchbare und assimilierte es für sich 
zu fröhlichem Wachstum. 
Die Kirchenlehre wurde ihm geraume Zeit von einem liberalen und dann nach 
plötzlichem Wechsel von einem streng orthodoxen Geistlichen vorgetragen. Die ge- 
fürchtete Verwirrung der Begriffe trat keineswegs ein; die eigentümliche Fähigkeit 
dieses in seinem Wege unbeirrbaren Geistes, überall das zu nehmen, was ihm zu- 
sagt, ließ ihn auch seine religiösen Vorstellungen aus gebotenem Material mit eigener 
Arbeit zu persönlichem Gebrauch zusammenstellen. Und wohl ihm und uns, daß 
dies seinem Wesen gemäß war, und daß es ihm gelungen! Zum obersten Bischof 
der Kirche ist er dadurch sehr wohl geeignet, zum Parteihaupt sehr wenig. 
Den Anschauungen der Eltern gemäß war der Erziehung die Aufgabe gestellt, 
im Gegensatz zur Tradition dem Interesse für das bürgerliche Leben den Vorrang 
vor dem militärischen in dem heranwachsenden Prinzen zu verschaffen. Die ver- 
schiedensten Mittel wurden dazu angewandt und alle sich bietenden Gelegenheiten 
benutzt; die ungewöhnliche Verpflanzung des Prinzen nach Kassel geschah zum 
guten Teil auch von diesem Gesichtspunkte aus. Museen und Fabriken, Werk- 
stätten und Bergwerke wurden eifrigst besucht und studiert; aber neben der regen 
Sympathie an dem Schul-, Studenten= und Volksleben wuchs das angeborene 
militärische Interesse kräftig empor, bis es sich einen breiten Platz im Träumen,
	        
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