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von 1852 selbst herbeiführen und kontrasignieren, trotzdem aber das Präsidium
des Staatsministeriums weiterführen soll.
.. Eure Majestät haben den mir am 15. erteilten Befehl aufrecht erhalten
und in Aussicht gestellt, mein dadurch notwendig werdendes Abschiedsgesuch zu ge-
nehmigen. Nach früheren Besprechungen, die ich mit Eurer Majestät über die
Frage hatte, ob Allerhöchstdemselben mein Verbleiben im Dienste unerwünscht
sein würde, durfte ich annehmen, daß es Allerhöchstdemselben genehm sein würde,
wenn ich auf meine Stellungen in allerhöchstdero preußischen Diensten verzichte,
im Reichsdienste aber bliebe .. Wie ich aber die Ehre hatte, auseinanderzusetzen,
ist es für mich nicht möglich, die Stellung eines Ministerpräsidenten beizubehalten,
nachdem Eure Mgjestät für dieselbe die capitis diminutio1) wiederholt befohlen
haben, welche in der Aufhebung der Order von 1852 liegt. Eure Majestät ge-
ruhten außerdem bei meinem ehrfurchtsvollen Vortrage vom 15. d. M., mir be-
züglich der Ausdehnung meiner dienstlichen Berechtigungen Grenzen zu ziehen,
welche mir nicht das Maß der Beteiligung an den Staatsgeschäften, der Übersicht
über letztere und der freien Bewegungen in meinen ministeriellen Entschließungen
und in meinem Verkehr mit dem Reichstage und seinen Mitgliedern lassen?),
deren ich zur UÜbernahme der verfassungsmäßigen Verantwortlichkeit für meine
amtliche Tätigkeit bedarf. Aber auch, wenn es tunlich wäre, unsere auswärtige
Politik unabhängig von der inneren und unsere Reichspolitik so unabhängig von
der preußischen zu betreiben, wie es der Fall sein würde, wenn der Reichskanzler
der preußischen Politik ebenso unbeteiligt gegenüberstände wie der bayerischen oder
sächsischen und an der Herstellung des preußischen Votums im Bundesrat dem
Reichstage gegenüber keinen Teil hätte, so würde ich doch nach den jüngsten Ent-
scheidungen Eurer Majestät . . . über die Richtung unserer auswärtigen Politik,
in der Unmöglichkeit sein, die Ausführung der darin vorgeschriebenen Anordnungen
bezüglich der auswärtigen Politik zu übernehmens).
Es ist mir bei meiner Anhänglichkeit an den Dienst des Königlichen Hauses
und an Eure Majestät und bei der langjährigen Einlebung in Verhältnisse, welche
ich bisher für dauernd gehalten habe, sehr schmerzlich, aus den gewohnten Be-
ziehungen zu Allerhöchstdemselben und zu der Gesamtpolitik des Reiches und
Preußens auszuscheiden; aber nach gewissenhafter Erwägung der Allerhöchsten
Intentionen, zu deren Ausführung ich bereit sein müßte, wenn ich im Dienste
bliebe, kann ich nicht anders, als Eure Mojestät alleruntertänigst bitten, mich aus
dem Amte des Reichskanzlers, des Ministerpräsidenten und des preußischen
Ministers der Auswärtigen Angelegenheiten in Gnaden und mit der gesetzlichen
Pension entlassen zu wollen. Nach meinen Eindrücken in den letzten Wochen und
nach den Eröffnungen, die ich gestern den Mitteilungen aus Eurer Majestät Zivil-
und Militärkabinett entnommen habe, darf ich in Ehrfurcht annehmen, daß ich mit
diesem meinem Entlassungsgesuch den Wünschen Eurer Majestät entgegenkomme
1) Die Vernichtung der Stellung des Oberhauptes.
2) Diese Andeutung bezieht sich auf eine Unterredung, die Bismarck mit dem Zentrums-
führer Windthorst hatte. In der Audienz vom 15. März tadelte ihn der Kaiser wegen
dieser angeblichen Eigenmächtigkeit sehr scharf.
). Es schien damals so — und darauf bezog sich die angedeutete Entscheidung —
als wolle der Kaiser eine Anderung in dem Verhältnis zu Rußland eintreten lassen. Bis-
marck, getreu dem Vermächtnis des alten Kaisers, glaubte diese Schwenkung nicht mit-
machen zu können.
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