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und also auf eine huldreiche Bewilligung mit Sicherheit rechnen darf. Ich würde
die Bitte um Entlassung aus meinen Amtern schon vor Jahr und Tag Eurer
Majestät unterbreitet haben, wenn ich nicht den Eindruck gehabt hätte, daß es
Eurer Majestät erwünscht wäre, die Erfahrungen und die Fähigkeiten eines treuen
Dieners Ihrer Vorfahren zu benutzen. Nachdem ich sicher bin, daß Eure Majestät
derselben nicht bedürfen, darf ich aus dem politischen Leben zurücktreten, ohne zu
befürchten, daß mein Entschluß von der öffentlichen Meinung als unzeitig ver-
urteilt wird. (gez.) von Bismarck.
2. Quelle: Handschreiben des Kaisers vom 20. März 1890.
Fundort: L. Hahn, Fürst Bismarck. Bd. 5. S. 642 und 643.
Mein lieber Fürst!
Mit tiefer Bewegung habe ich aus Ihrem Gesuche vom 18. d. M. ersehen,
daß Sie entschlossen sind, von den Amtern zurückzutreten, welche Sie seit langen
Jahren mit unvergleichlichem Erfolge geführt haben. Ich hatte gehofft, dem Ge-
danken, mich von Ihnen zu trennen, bei unseren Lebzeiten nicht näher treten zu
müssen. Wenn ich gleichwohl im vollen Bewußtsein der folgenschweren Tragweite
Ihres Rücktrittes jetzt genötigt bin, mich mit diesem Gedanken vertraut zu machen,
so tue ich dies zwar betrübten Herzens, aber in der festen Zuversicht, daß die
Gewährung Ihres Gesuches dazu beitragen werde, Ihr für das Vaterland un-
ersetzliches Leben und Ihre Kräfte so lange wie möglich zu schonen und zu er-
halten.
Die von Ihnen für Ihren Entschluß angeführten Gründe überzeugen mich,
daß weitere Versuche, Sie zur Zurücknahme Ihres Antrages zu bestimmen, keine
Aussicht auf Erfolg haben. Ich entspreche daher Ihrem Wunsche, indem ich Ihnen
hierneben den erbetenen Abschied aus Ihren Amtern als Reichskanzler, Präsident
meines Staats-Ministeriums und Minister der Auswärtigen Angelegenheiten in
Gnaden und in der Zuversicht erteile, daß Ihr Rat und Ihre Tatkraft, Ihre
Treue und Hingebung auch in Zukunft mir und dem Vaterlande nicht fehlen
werden.
Ich habe es als eine der gnädigsten Fügungen in meinem Leben betrachtet,
daß ich Sie bei meinem Regierungsantritt als meinen ersten Berater zur Seite
hatte. Was Sie für Preußen und Deutschland gewirkt und erreicht haben, was
Sie meinem Hause, meinen Vorfahren und mir gewesen sind, wird mir und dem
deutschen Volke in dankbarer, unvergänglicher Erinnerung bleiben. Aber auch im
Auslande wird Ihrer weisen und tatkräftigen Friedenspolitik, die ich auch künftig
aus voller Überzeugung zur Richtschnur meines Handelns zu machen entschlossen
bin, alle Zeit mit ruhmvoller Anerkennung gedacht werden. Ihre Verdienste
vollwertig zu belohnen, steht nicht in meiner Macht. Ich muß mir daran genügen
lassen, Sie meines und des Vaterlandes unauslöschlichen Dankes zu versichern.
Als ein Zeichen dieses Dankes verleihe ich Ihnen die Würde eines Herzogs von
Lauenburg. Auch werde ich Ihnen mein lebensgroßes Bildnis zugehen lassen.
Gott segne Sie, mein lieber Fürst, und schenke Ihnen noch viele Jahre eines
ungetrübten und durch das Bewußtsein treu erfüllter Pflicht verklärten Alters.
In diesen Gesinnungen bleibe ich Ihr Ihnen auch in Zukunft treu ver-
bundener, dankbarer Kaiser und König.
Berlin den 20. März 1890. Wilhelm I. R.