Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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Handwerkern sah. Wo sind die Zeiten, wo unser Schiller nur zwei gewaltige 
Nationen ringen sah um der Welt alleinigen Besitz, den Franken, der seinen 
ehernen Degen in die Wage der Gerechtigkeit wirft, und den Briten, der seine 
Handelsflotten gierig wie Polypenarme ausstreckt? Wo er den Deutschen, der, 
während die Erde geteilt wurde, im Land der Träume geweilt hatte, mit dem 
armen Poeten in den Himmel idealistischer Bedürfnislosigkeit versetzte ? 
Heute hat die deutsche Industrie ihre Abnehmer bis hin in die entlegensten 
Gegenden der Erde. Die deutsche Handelsflagge ist den fremden Häfen ein ge- 
wohnter Anblick und weiß sich sicher unter dem Schutze der deutschen Kriegs- 
schiffe. Deutsche Kapitalien arbeiten im Auslande neben denen der alten Geld- 
mächte England und Frankreich und wirken an der Festigung der wirtschaftlichen 
Interessenverbindungen zwischen uns und den anderen Völkern. Auf dem Felde 
der Weltwirtschaft sind die Folgen unserer nationalen Wiedergeburt bisher am 
fühlbarsten geworden. In den Ziffern der internationalen Verkehrs= und Handels- 
statistiken drückt sich der Aufstieg des Deutschen Reiches neben den alten Mächten 
am plastischsten aus. 
Wir haben Grund, auf unsere gewaltigen wirtschaftlichen Erfolge stolz zu 
sein. Und die Genugtuung des deutschen Patrioten ist gerechtfertigt, wenn er 
darauf hinweist, in wie beispiellos kurzer Zeit wir Deutschen mit unserer wirt- 
schaftlichen Entwicklung die weite Strecke durchmessen haben, die uns noch vor 
einem halben Jahrhundert von Völkern trennte, die wir heute überflügelt haben. 
Nur der überschäumenden Lebenskraft eines kerngesunden, willensstarken und ehr- 
geizigen Volkes konnte solches gelingen. Aber wir dürfen uns nicht verhehlen, daß 
das beinahe rasende Tempo unseres wirtschaftlichen Emporkommens doch vielfach 
die ruhige organische Entwicklung gestört und Dissonanzen geschaffen hat, die eine 
Ausgleichung erforderten. Der Mensch ist geneigt, über den in die Augen stechenden 
Erfolgen, die er einer speziellen Begabung verdankt, die harmonische Entwicklung 
seiner anderen Fähigkeiten und Kräfte zu vernachlässigen. Er wird bisweilen 
solche Einseitigkeit mit empfindlichen Rückschlägen büßen müssen, wenn veränderte 
Verhältnisse andere Kräfte und Leistungen erfordern. In Deutschland war der 
rapide wirtschaftliche Aufschwung ein durch die Sonne der Zeitverhältnisse be- 
günstigtes rasches Emporblühen der Industrie und des Handels. Die vollendeten 
modernen Verkehrsmittel öffneten uns anders als früher die Märkte auch ent- 
legener Länder. Die Schätze unseres heimischen Bodens waren noch ungehoben, 
die unvergleichlichen Fortschritte der Maschinen= und Elektrotechnik stellten ganz 
neue industrielle Betriebsmittel zur Verfügung, und das rasche Wachstum unserer 
Bevölkerung lieferte die Massen der Arbeiter zur Gründung und Ausdehnung 
großer industrieller Betriebe. Dazu gaben vier Jahrzehnte des Friedens die Möglich- 
keit, den Weltmarkt in jeder Beziehung zu bearbeiten. Die kaufmännische und 
industrielle Begabung des deutschen Volkes, die uns schon einmal vor Jahr- 
hunderten zum ersten der handel= und gewerbetreibenden Völker gemacht hatte 
und durch unsere staatliche Verkümmerung und einen schweren nationalen Daseins- 
kampf bis zum letzten Drittel des 19. Jahrhunderts niedergehalten worden war, 
fand die Gunst der Zeitverhältnisse in seltener Weise zu ihrer Verfügung. Als 
sich Unternehmer und königliche Kaufleute fanden ... die Gunst der Zeit zu be- 
nutzen, mußten Industrie und Handel die Erfolge der nächsten Zukunft gehören. 
Die Nation wandte sich mehr und mehr den sich neu eröffnenden Aussichten zu. 
Die unteren Volksklassen strömten vom flachen Lande hinweg den industriellen
	        
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