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nicht gewillt, es dazu kommen zu lassen. Hierfür die geeigneten und, wenn es sein
muß, auch die schärfsten Mittel rücksichtslos anzuwenden, ist meine Pflicht nur,
mein schönstes Vorrecht. Ich bin überzeugt, daß ich hierbei Deutschlands Fürsten
und das gesamte Volk festgeschlossen hinter mir habe.
6. Quelle: Rede des Kaisers an Bord der Dampfjacht „Prinzessin Vik-
toria Luise“ am 18. Juni 1901.
Fundort: Johs. Penzler a. a. O. Bd. 3. S. 32 und 33.
Wir haben uns, trotzdem wir noch keine Flotte haben, so wie sie sein sollte,
einen Platz an der Sonne erkämpft. Es wird nun meine Aufgabe sein, dafür
zu sorgen, daß dieser Platz an der Sonne uns unbestritten erhalten bleibt, damit
ihre Strahlen befruchtend wirken können auf Handel und Wandel nach außen,
Industrie und Landwirtschaft nach innen und auch auf den Segelsport in den Ge-
wässern; denn unsere Zukunft liegt auf dem Wasser.
Je mehr Deutsche auf das Wasser hinauskommen, sei es im Wettstreite des
Segelsportes, sei es auf der Reise über den Ozean oder im Dienste der Kriegs-
flagge, desto besser für uns. Denn hat der Deutsche erst einmal gelernt, den Blick
auf das Weite und Große zu richten, so verschwindet das Kleinliche, das ihn im
täglichen Leben hin und wieder umfängt. Wenn man diesen hohen, freien Blick
haben will, so ist wohl eine Hansastadt der geeignetste Standpunkt dafür.
91.
Deutschland als Weltmacht.
Quelle: Fürst von Bülow, Deutsche Politik. Berlin 19161). S. 10—17.
46 und 47.
Die staatliche Einigung ist nicht der Abschluß unserer Geschichte geworden,
sondern der Anfang einer neuen Zukunft. In der vordersten Reihe der europäischen
Mächte gewann das Deutsche Reich wieder vollen Anteil am Leben Europas.
Das Leben des alten Europas aber war schon lange nur noch ein Teil des ge-
samten Völkerlebens.
Die auswärtige Politik war mehr und mehr Weltpolitik geworden. Die welt-
politischen Wege waren auch für Deutschland geöffnet, als es eine mächtige und
gleichberechtigte Stelle neben den alten Großmächten gewann. Die Frage war nur,
ob wir die vor uns liegenden neuen Wege beschreiten .., oder ob wir in Be-
sorgnis um die eben gewonnene Macht vor weiterem Wagen zurückschrecken sollten.
In Kaiser Wilhelm II. fand die Nation einen Führer, der ihr mit klarem
Blick und festem Willen auf dem neuen Wege voranging. Mit ihm haben wir den
weltpolitischen Weg beschritten. Nicht als Konquistadoren?), nicht unter Aben-
teuern und Händeln. Wir sind langsam vorgegangen, haben uns das Tempo nicht
vorschreiben lassen von der Ungeduld des Ehrgeizes, sondern von den Interessen
und Rechten, die wir zu fördern und zu behaupten hatten. Wir sind nicht in die
Weltpolitik hineingesprungen, wir sind in unsere weltpolitischen Aufgaben hinein-
1) Also während des Krieges geschrieben; das Buch bringt in selbständiger Form die
an mancher Stelle erweiterte und unter dem Einfluß des Krieges ergänzte Arbeit Bülows,
die 1914 in dem unter Nr. 87 erwähnten Sammelwerke erschien.
2) Abenteuernde und waghalsige Eroberer (Ferdinand Cortez).