Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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des gewaltigen Kaisers. Jetzt ist unser Vaterland durch Kaiser Wilhelm den 
Großen neu geeint und im Begriff, sich nach außen hin herrlich zu entfalten. 
Und gerade hier inmitten dieses mächtigen Handelsemporiums empfindet man die 
Fülle und Spannkraft, die das deutsche Volk durch seine Entschlossenheit seinen 
Unternehmungen zu verleihen imstande ist. Aber auch hier weiß man es am 
höchsten zu schätzen, wie notwendig ein kräftiger Schutz und die unentbehrliche 
Stärkung unserer Seestreitkräfte für unsere auswärtigen Interessen sind. 
Doch langsam nur greift das Gefühl hierfür im deutschen Vaterlande Platz, 
das leider noch zu sehr seine Kräfte in fruchtlosen Parteiungen verzehrt. Mit 
tiefer Besorgnis habe ich beobachten müssen, wie langsame Fortschritte das 
Interesse und politische Verständnis für große, weltbewegende Fragen unter den 
Deutschen gemacht hat. 
Blicken wir um uns her! Wie hat seit einigen Jahren die Welt ihr Antlitz 
verändert! Alte Weltreiche vergehen, und neue sind im Entstehen begriffen. 
Nationen sind plötzlich im Gesichtskreis erschienen und treten in ihren Wettbewerb 
mit ein, von denen kurz zuvor der Laie noch wenig bemerkt hatte. Ereignisse, 
die umwälzend wirken auf dem Gebiete internationaler Beziehungen sowohl wie 
auf dem Gebiete des national-ökonomischen Lebens der Völker, und die in alten 
Zeiten Jahrhunderte zum Reifen brauchten, vollziehen sich in wenigen Monden. 
Dadurch sind die Aufgaben für unser deutsches Reich und Volk in mächtigem 
Umfange gewachsen und erheischen für mich und meine Regierung ungewöhnliche 
und schwere Anstrengungen, die nur dann von Erfolg gekrönt sein können, wenn 
einheitlich und fest, den Parteiungen entsagend, die Deutschen hinter uns stehen. 
Es muß dazu aber unser Volk sich entschließen, Opfer zu bringen. Vor allem 
muß es seine Sucht ablegen, das Höchste in immer schärfer sich ausprägenden 
Parteirichtungen zu suchen. Es muß aufhören, die Partei über das Wohl des 
Ganzen zu stellen. Es muß seinen alten Erbfehler eindämmen, alles zum Gegen- 
stand ungezügelter Kritik zu machen, und es muß vor den Grenzen Halt machen, 
die ihm seine eigensten, vitalsten Interessen ziehen. Denn gerade diese alten 
politischen Sünden rächen sich jetzt schwer an unseren Seeinteressen und unserer 
Flotte. Wäre ihre Verstärkung mir in den ersten acht Jahren meiner Regierung 
trotz inständigen Bittens und Warnens nicht beharrlich verweigert worden, wobei 
sogar Hohn und Spott mir nicht erspart geblieben sind, wie anders würden wir 
dann unseren blühenden Handel und unsere überseeischen Interessen fördern können! 
Doch meine Hoffnungen, daß der Deutsche sich ermannen werde, sind noch 
nicht geschwunden. Denn groß und mächtig schlägt die Liebe in ihm zu seinem 
Vaterlande. Davon zeugen die Oktoberfeuer, die er heute noch auf Bergeshöhen 
anzündet, und mit denen er auch das Andenken an die herrliche Gestalt des heute 
geborenen Kaisers in der Erinnerung mitfeiert. 
Und in der Tat, einen wundervollen Bau hat Kaiser Friedrich mit seinem 
großen Vater und bessen großen Paladinen errichten helfen und uns als Deutsches 
Reich hinterlassen. In herrlicher Pracht steht es da, ersehnt von unseren Vätern 
und besungen von unseren Dichtern! 
Nun wohlan! Statt wie bisher in ödem Zank sich darüber zu streiten, wie 
die einzelnen Kammern, Säle, Abteilungen dieses Gebäudes aussehen oder ein- 
gerichtet werden sollen, möge unser Volk in idealer Begeisterung wie die Oktober- 
feuer auflodern, seinem idealen zweiten Kaiser nachstreben und vor allem an dem 
schönen Bau sich freuen und ihn schützen helfen! Stolz auf seine Größe, bewußt 
11“
	        
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