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hätten die Freundschaft Englands nur durch Aufopferung eben unserer Flotten- und
unserer weltpolitischen Pläne überhaupt erkaufen können, um derentwillen wir die
britische Freundschaft gerade gesucht hatten. Als Englands Feind aber hätten wir
schwerlich Aussicht gehabt, in unserer Entwicklung zur See- und Welthandelsmacht
so weit zu kommen, wie wir am Ende gelangt sind
So blieb uns nur die Möglichkeit, an den englischen Interessen gleichsam
vorüberzugehen, den feindlichen Zusammenstoß und die gefügige Abhängigkeit in
gleicher Weise zu meiden.
So ist es denn auch in der Tat gelungen, uns unbehelligt und unbeeinflußt
von England diejenige Macht zur See zu schaffen, die unseren wirtschaftlichen
Interessen und unserem weltpolitischen Willen die reale Grundlage gibt, und die
anzugreifen auch dem stärksten Gegner als ein ernstes Wagnis erscheinen muß.
96.
Der Ausbau der deutschen Flotte.
1. Quelle: Thronrede bei der Eröffnung des Reichstages
am 30. November 1897.
Fundort: Johs. Penzler a. a. O. Bd. 2. S. 74 und 75.
Die Entwicklung unserer Kriegsflotte entspricht nicht den Aufgaben, welche
Deutschland an seine Wehrkraft zur See zu stellen gezwungen ist. Sie genügt
nicht, bei kriegerischen Entwicklungen die heimischen Häsen und Küsten gegen eine
Blockade und weitergehende Unternehmungen der Feinde sicherzustellen. Sie hat
auch nicht Schritt gehalten mit dem lebhaften Wachstum unserer überseeischen
Interessen. Während der deutsche Handel an dem Güteraustausche der Welt in
steigendem Maße teilnimmt, reicht die Zahl unserer Kriegsschiffe nicht hin, unseren
im Auslande tätigen Landsleuten das der Stellung Deutschlands entsprechende
Maß von Schutz und hiermit den Rückhalt zu bieten, den nur die Entfaltung von
Macht zu gewähren vermag. Wenngleich es nicht unsere Aufgabe sein kann, den
Seemächten ersten Ranges gleichzukommen, so muß Deutschland sich doch in den
Stand gesetzt sehen, auch durch seine Rüstung zur See sein Ansehen unter den
Völkern der Erde zu behaupten. Hierzu ist eine Verstärkung der heimischen
Schlachtflotte und eine Vermehrung der für den Auslandsdienst im Frieden be-
stimmten Schiffe erforderlich. Um für diese dringenden und nicht länger hinaus-
zuschiebenden Maßnahmen einen festen Boden zu gewinnen, erachten die ver-
bündeten Regierungen es für geboten, die Stärke der Marine und den Zeitraum,
in welchem diese Stärke erreicht werden soll, gesetzlich festzulegen. Zu diesem
Zweck wird Ihnen eine Vorlage behufs verfassungsmäßiger Beschlußnahme zugehen.
2. Quelle: Rede Kaiser Wilhelms zur Jahrhundertwende im Lichthofe
des Zeughauses zu Berlin am 1. Januar 1900.
Fundort: Johs. Penzler a. a. O. Bd. 2. S. 183.
Und wie mein Großvater für sein Landheer, so werde ich für meine Marine
unbeirrt in gleicher Weise das Werk der Reorganisation fort= und durchführen,
damit auch sie gleichberechtigt an der Seite meiner Streitkräfte zu Lande stehen
möge und durch sie das Deutsche Reich auch im Auslande in der Lage sei, den
noch nicht erreichten Platz zu erringen