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Ihr werdet einem Feinde gegenüberstehen, der nicht minder todesmutig ist
wie Ihr. Von europäischen Offizieren ausgebildet, haben die Chinesen die euro—
päischen Waffen brauchen gelernt. Gott sei Dank haben Eure Kameraden von der
Marine-Infanterie und meiner Marine, wo sie mit ihnen zusammengekommen sind,
den alten deutschen Waffenruf bekräftigt und bewährt und mit Ruhm und Sieg
sich verteidigt und ihre Aufgaben gelöst.
So sende ich Euch nun hinaus, um das Urrecht zu rächen, und ich werde nicht
eher ruhen, als bis die deutschen Fahnen vereint mit denen der anderen Mächie
siegreich über den chinesischen wehen und, auf den Mauern Pekings aufgepflanzt,
den Chinesen den Frieden diktieren.
Ihr habt gute Kameradschaft zu halten mit allen Truppen, mit denen Ihr
dort zusammenkommt. Russen, Engländer, Franzosen, wer es auch sei, sie fechten
alle für die eine Sache, für die Zivilisation. «
Wir denken auch noch an etwas Höheres, an unsere Religion und die Ver—
teidigung und den Schutz unserer Brüder da draußen, welche zum Teil mit ihrem
Leben für ihren Heiland eingetreten sind.
Denkt auch an unsere Waffenehre; denkt an diejenigen, die vor Euch ge—
fochten haben, und zieht hinaus mit dem alten brandenburgischen Fahnenspruch:
„Vertrau auf Gott, dich tapfer wehr'; daraus besteht dein' ganze Ehr'! Denn
wer's auf Gott herzhaftig wagt, wird nimmer aus der Welt gejagt").
2. Quelle: Entschuldigungsschreiben des Kaisers von China an Kaiser
Wilhelm II.2).
Fundort: Johs. Penzler a. a. O. Bd. 3. S. 41 und 42.
Der Groß-Kaiser des Tatsing-Reiches entbietet Seiner Majestät dem Deutschen
Kaiser Gruß.
Seitdem unsere Reiche gegenseitig durch ständige Gesandtschaften vertreten
sind, haben wir ununterbrochen in den freundschaftlichsten Beziehungen zueinander
gestanden.
Die Beziehungen wurden noch inniger, als Seine Königliche Hoheit Prinz
Heinrich von Preußen nach Peking kam und wir hierbei den Vorzug hatten,
Seine Königliche Hoheit häufiger zu empfangen und mit ihm in vertrauter Weise
verkehren zu können.
Leider drangen inzwischen, im fünften Monat des vergangenen Jahres, die
Boxer in Peking ein; aufständische Soldaten schlossen sich ihnen an, und es kam
dahin, daß Eurer Majestät Gesandter, Freiherr von Ketteler, ermordet wurde, ein
Mann, der, solange er seinen Posten in Peking bekleidete, die Interessen unserer
Länder auf das wärmste wahrnahm, und dem wir unsere besondere Anerkennung
zollen mußten.
1) Dieser Fahnenspruch ist einer der sieben alten Standarten des kurfürstlichen
Regiments Hennings von Treffenfeld entnommen, die vor mehreren Jahren wieder auf-
gefunden und auf Befehl des Kaisers der Fahnensammlung des Zeughauses einverleibt
sind. Diese Standarten stammen aus der Zeit des Großen Kurfürsten und haben dessen
Truppen in manchen blutigen Schlachten, namentlich bei Fehrbellin, zum Siege geführt.
Dieselbe Inschrift befindet sich auf der Klinge des Säbels, den der Kaiser dem Kron-
prinzen bei Vollendung seines zehnten Lebensjahres zum Geschenk gemacht hat.
„:) Das Schreiben wurde unserem Kaiser am 4. September 1901 von dem Bruder
des Kaisers von China, dem Prinzen Tschun, dem sogenannten Sühneprinzen, im Neuen
Palais bei Potsdam in feierlicher Audienz überreicht.