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jener Worte, wir sollten die entwandte Unabhängigkeit wiedererlangen, in ehr—
würdiger Gestalt sollte das deutsche Reich wiedergeboren werden und verjüngt,
lebenskräftig und in Einheit gehalten die deutsche Nation wieder voranschreiten
Europas Völkern, jener Fürstenworte, welche den Mann von seinem Weibe, den
Jüngling von der Braut gerissen hatten zum Donner der Schlachten, zum freu—
digen Tode. Still harrten die Völker, bis die kommenden Frühlinge öffnen
würden alle die Knospen, erfüllen alle die Hoffnungen, und alljährlich am Tage
des Sieges tönten die Gotteshäuser vom: „Herr Gott, dich loben wir!“ und auf
den Bergen leuchteten die Freudenfeuer wie Morgenröten von einem Gau in den
anderen; freie Worte und Lieder stürmten durch Flammen und Herzen, und das
Volk stärkte sich in seiner Hoffnung, seiner Liebe .
Und wie alles Schöne am schönsten aufblüht in der Jugend, hat dieses
Jahrhundert kein schöneres Fest gesehen, als das heute vor drei Jahren unsere
Brüder feierten auf der Luthersburg, auf der Wartburg. Wie es auch verlästert
worden, es bedarf keiner Schutzrede, alle die großen Entschlüsse, die dort be-
schlossen in den jungen Gemütern, die Herzen, die dort versöhnt, die Begeisterung,
die dort aufgeflammt für ein ganzes Menschenleben, sind seine Zeugen vor Gott,
werden einst Zeugen sein vor einem gerechteren Volke ... Als die freien Worte
gesprochen und die Lieder verklungen waren, als auf Bruder= und Vater-
landsliebe die Burschen noch das heilige Mahl des Herrn genossen ... da ver-
sprach man sich noch, nach drei Jahren wiederzukehren zum großen Burschen= und
Vaterlandsfeste. Was mochten die Jünglinge da nicht hoffen, das indessen würde
erstanden sein von alter, deutscher Herrlichkeit, mit welchen Gemütern ihre jüngeren
Freunde nicht hinziehen zur ersehnten Feier! — Heute ist der Tag des dritten
Jahres, heute der Abend, da die Flammen glühten und die Lieder und die
Herzen; öd' und finster ist's um Wartburgs Türme und Berge, 5öd7 und finster
auf dem heiligen Gottesacker, da wir stehen; öd' und finster ist's auf Deutschlands
Bergen, ist's im ganzen weiland deutschen Reiche, und Sünde heißt's, der Ver-
gangenheit zu denken, Sünde, Deutschlands Befreiung zu feiern. Und wir
Freunde stehen einsam auf dem Felde der Völkerschlacht; keine Flamme leuchtet
fröhlich empor, dem Volke zu sagen, daß es noch Jünglinge, deutsche Jünglinge
habe; schneidend weht der Wind durch die Locken; einsam stehen wir um den
Hügel der Schlacht wie Geister aus einer anderen Zeit
Vaterlandsliebe heißt wieder Schwärmerei; Freiheitsehnsucht wird von den
Gutmütigen Narrheit, von den anderen Jakobinismus und Demagogie gescholten.
Ein deutsches Reich, ein deutsches Volk sind wieder Antiquitäten und Märlein
worden . . . O Vaterland, du hast deine Jugend, die dich so liebt, du hast sie
Und ist die Herrlichkeit der letzten großen Zeit so ganz vergangen, sind alle
Palmen des Sieges verwelkt, alle Kreuze gewonnener Schlachten, alle Trophäen
zusammengestürzt, alle Hoffnungen betrogen: eins ist geblieben und wird bleiben;
denn es ist etwas Unsterbliches; nicht Acht und Bann, nicht Folter, noch Schafott
können es vernichten; mit seiner Götterstimme spricht es von Geschlechtern zu
Geschlechtern, ruft neue Streiter heran, wenn die Vorderreihen gefallen, über ihre
Leichname; nicht Knebel, noch Preßzwang können es verstummen machen, nicht
Trommeln, noch Kanonen es übertäuben — das sind die großen Ideen, oder
deutsch zu reden, die Gesichte, welche jene Zeit gebar und verkündete
Das erste Gesicht scheint mir das: