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102.
Das Deutsche Reich und die Bekenner des Islams.
Quelle: Tischrede Kaiser Wilhelms am 8. November 1898 in Damaskus.
Fundort: Johs. Penzler a. a. O. Bd. 2. S. 126 und 127.
Angesichts der Huldigungen, die uns hier zuteil geworden sind, ist es mir ein
Bedürfnis, im Namen der Kaiserin und in meinem Namen für den Empfang zu
danken, für alles, was in allen Städten dieses Landes uns entgegengetreten ist,
vor allem zu danken für den herrlichen Empfang in der Stadt Damaskus.
Tief ergriffen von diesem überwältigenden Schauspiele, zu gleicher Zeit be-
wegt von dem Gedanken, an der Stelle zu stehen, wo einer der ritterlichsten
Herrscher aller Zeiten, der große Sultan Saladin, geweilt hat, ein Ritter ohne
Furcht und Tadel, der oft seine Gegner die rechte Art des Rittertums lehren
mußte, ergreife ich mit Freude die Gelegenheit, vor allen Dingen dem Sultan
Abdul Hamid zu danken für seine Gastfreundschaft.
Möge der Sultan und mögen die 300 Millionen Mohammedaner, die,
auf der Erde zerstreut lebend, in ihm ihren Khalifen verehren, dessen
versichert sein, daß zu allen Zeiten der Deutsche Kaiser ihr Freund sein
wird!
Ich trinke auf das Wohl Seiner Majestät des Sultans Abdul Hamid!
103.
Deutschland und Osterreich-Ungarn.
Quelle: Instruktion des Reichskanzlers für den deutschen Botschafter
in Wien vom 13. Oktober 1908.1)
Fundort: Wilhelm von Massow a. a. O. B-d. 5. S. 125.
Ich hatte gestern Gelegenheit zu einer längeren Aussprache mit Seiner
Majestät dem Kaiser und Könige und bin in der Lage, Ihnen zu sagen, daß Seine
Mojestät vollständig den Standpunkt billigt und teilt, den ich vom ersten Tage an
eingenommen habe, die Auffassung nämlich, daß für uns weder Veranlassung vor-
liegt, noch auch Neigung bei uns besteht, das Vorgehen unserer Verbündeten
einer Kritik zu unterziehen, wohl aber der feste Wille, in Erfüllung unserer
Bündnispflichten an seiner Seite zu stehen und zu bleiben. Auch für den Fall,
daß Schwierigkeiten und Komplikationen entstehen sollten, wird unser Verbündeter
auf uns rechnen können. Seine Majestät der Kaiser und König, dessen verehrungs-
volle Freundschaft für den ehrwürdigen Kaiser und König Franz Joseph bekannt
ist, steht in unerschütterlicher Treue zu seinem erhabenen Verbündeten.
1) Am 5. Oktober 1908 annektierte Osterreich-Ungarn Bosnien und die Herzego-
wina. Dieser Vorgang ließ die Gefahr eines großen europäischen Krieges in nächster
Nähe erscheinen; der Bund mit Deutschland war auf die schärfste Belastungsprobe gestellt.
Er bewährt sich, wie das Schriftstück zeigt; diese Eusschlossenheit Deutschlands beseitigte
die Kriegsgefahr. In der Reichstagsrede vom 29. März 1909, in der Fürst Bülow dieses
Schreiben verlas, sagte er noch: „Ich habe irgendwo ein höhnisches Wort gelesen über
unsere Vasallenschaft gegenüber Osterreich--Ungarn. Das Wort ist einfältig. Es gibt hier
keinen Streit um den Vortritt wie zwischen den beiden Königinnen im Nibelungenliede;
aber die Nibelungentreue wollen wir aus unserem Verhältnis zu Osterreich-Ungarn nicht
ausschalten die wollen wir gegenseitig wahren.“ (Wilhelm von Massow a. a. O. Bd. 5
127.)
W. u. O. Heinze-Kinghorst, Quellenlesebuch. III. 12