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Präsident Dr Kaempf: Ich schlage vor, die erste Lesung der sämtlichen Ge-
setzentwürfe zu verbinden. (Lebhafter Beifall.) Als einziger Redner zu der Lesung
der sämtlichen Vorlagen nimmt
Abg. Haase (Soz.) das Wort: Im Auftrage meiner Fraktion habe ich folgende
Erklärung abzugeben:
.. Wir stehen vor der ehernen Tatsache des Krieges. Es handelt sich hier
nicht darum, sich für oder gegen den Krieg zu entscheiden, sondern über die Frage
der Aufbringung der für die Verteidigung des Landes erforderlichen Mittel. Aber
wir haben auch zu denken an die Millionen von Volksgenossen, die ohne ihre
Schuld in dieses Verhängnis hineingerissen sind. Sie werden von den Ver-
heerungen des Krieges aufs schwerste getroffen. Unsere Wünsche begleiten die zu
den Waffen gerufenen Brüder ohne Unterschied der Partei. (Lebhafter Beifall.)
Wir denken auch an die Mütter, die ihre Söhne hergeben müssen, an die Frauen
und Kinder, die ihrer Ernährer beraubt sind. Unsere Frauen und Kinder sehen
zu der Angst um ihre Lieben die Schrecken des Hungers drohen. Zudem werden
sich bald Tausende Verwundete und verstümmelte Kämpfer gesellen. Ihnen allen
beizustehen, ihr Schicksal zu erleichtern, diese unermeßliche Not zu lindern,
erachten wir als eine dringende Pflicht. (Lebhafter Beifall.) Für unser Volk,
seine freiheitliche Zukunft, steht bei einem Siege des russischen Despotismus, der
sich mit dem Blute der Besten im eigenen Volke befleckt hat, viel, wenn nicht
alles auf dem Spiele. (Stürmischer Beifall.) Es gilt, diese Gefahr abzuwehren, die
Kultur und Unabhängigkeit unseres Landes zu schützen. (Lebhafter Beifall.) Darum
machen wir wahr, was wir immer betont haben; wir lassen in der Stunde der
Gefahr das Vaterland nicht im Stich! (Lebhafte Beifallskundgebungen.) — Wir
fühlen uns dabei im Einklang mit der Internationale, die das Recht jedes Volkes
auf nationale Selbständigkeit und Selbstverteidigung jederzeit anerkannt hat. Wir
werden in Übereinstimmung mit ihr jeden Eroberungskrieg verurteilen. Wir
fordern, daß dem Kriege, sobald das Ziel der Sicherung erreicht ist und die
Gegner zum Frieden geneigt sind, ein Ende gemacht wird durch einen Frieden,
der die Freundschaft mit den Nachbarvölkern ermöglicht .. Von diesem Grundsatz
geleitet, bewilligen wir die geforderten Kredite. (Lebhafter Beifall.)
Präsident Dr Kaempf: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe
die erste Lesung. Kommissionsberatung ist nicht beantragt. Wir kommen also gleich
zur zweiten Lesung, zu der keine Wortmeldung vorliegt. Ich schließe also die
zweite Lesung.
Abg. Dr Spahn (Ztr.) zur Geschäftsordnung: Nachdem sämtliche Gesetz-
entwürfe in zweiter Lesung angenommen sind, und zwar ohne Abänderung, auch
ohne Wortmeldungen, glaube ich, dem Hause vorschlagen zu sollen, sofort in die
dritte Lesung einzutreten. (Beifall.) Ich schlage vor, die Generaldebatte und die
Spezialdebatte über sämtliche Gesetzentwürfe zu verbinden. Wenn Widerspruch
nicht erhoben wird, Wortmeldungen nicht eintreten, beantrage ich, sämtliche Ent-
würfe in einer Abstimmung en bloc anzunehmen. (Lebhafter Beifall.)
Vizepräsident Dr Paasche: Meine Herren, Sie haben den Antrag gehört, die
drei Lesungen sofort vorzunehmen. Das kann nur geschehen, wenn kein Wider-
spruch aus dem Hause erfolgt. Das ist nicht der Fall. Wir treten in die dritte
Beratung ein; wenn auch über die ferneren Anträge kein Widerspruch erhoben
wird, können wir so verfahren, wie vorgeschlagen ist. Ich bitte, daß diejenigen,