Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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sein. Durch die theatralische Verleihung des Kreuzes der Ehrenlegion an die 
Stadt Lüttich sollten diese Angaben bekräftigt werden. Unser Volk kann überzeugt 
sein, daß wir weder Mißerfolge verschweigen, noch Erfolge aufbauschen werden. 
Wir werden die Wahrheit sagen und haben das volle Vertrauen, daß unser 
Volk uns mehr als dem Feinde glauben wird, der seine Lage vor der Welt mög- 
lichst günstig hinstellen möchte. 
Wir müssen aber mit unseren Nachrichten zurückhalten, solange sie unsere 
Pläne der Welt verraten können. Jetzt können wir ohne Nachteil über Lüttich 
berichten. Ein jeder wird sich selbst ein Urteil bilden können über die von den 
Franzosen in die Welt geschrienen 20000 Mann Verluste. Wir hatten vor vier 
Tagen bei Lüttich überhaupt nur schwache Kräfte; denn ein so kühnes Unter- 
nehmen kann man nicht durch Ansammlung überflüssiger Massen vorher ver- 
raten. Daß wir trotzdem den gewünschten Zweck erreichten, lag in der guten Vor- 
bereitung, der Tapferkeit unserer Truppen, der energischen Führung und dem 
Beistande Gottes. Der Mut des Feindes wurde gebrochen; seine Truppen schlugen 
sich schlecht. Die Schwierigkeiten für uns lagen in dem überaus ungünstigen Berg- 
und Waldgelände und in der heimtückischen Teilnahme der ganzen Bevölkerung, 
selbst der Frauen, am Kampfe. Aus dem Hinterhalt, den Ortschaften und Wäldern 
feuerten sie auf unsere Truppen, auch auf Arzte, die die Verwundeten behandelten, 
und auf die Verwundeten selbst. Es sind schwere und erbitterte Kämpfe ge- 
wesen; ganze Ortschaften mußten zerstört werden, um den Widerstand zu brechen, 
bis unsere tapferen Truppen durch den Fortsgürtel gedrungen und im Besitz der 
Stadt waren. Es ist richtig, daß ein Teil der Forts sich noch hielt; aber sie 
feuerten nicht mehr. Seine Majestät wollte keinen Tropfen Blutes unserer 
Truppen durch Erstürmung der Forts unnütz verschwenden. Sie hinderten nicht 
mehr an der Durchführung der Absichten. Man konnte das Herankommen der 
schweren Artillerie abwarten und die Forts in Ruhe nacheinander zusammen- 
schießen, ohne nur einen Mann zu opfern, falls die Fortsbesatzungen sich nicht 
früher ergaben. Aber über dies alles durfte eine gewissenhafte Heeresleitung nicht 
ein Wort veröffentlichen, bis so starke Kräfte auf Lüttich nachgezogen waren, daß 
es auch kein Teufel uns wieder entreißen konnte. 
In dieser Lage befinden wir uns jetzt. 
Die Belgier haben zur Behauptung der Festung, soviel sich jetzt übersehen 
läßt, mehr Truppen gehabt, als von unserer Seite zum Sturm antraten. Jeder 
Kundige kann die Größe der Leistung ermessen. Sie steht einzig da. 
Sollte unser Volk wieder einmal ungeduldig auf Nachrichten warten, so bitte 
ich, sich an Lüttich erinnern zu wollen. Das ganze Volk hat sich einmütig unter 
seinem Kaiser zur Abwehr der zahlreichen Feinde geschart, so daß die Heeres- 
leitung annehmen darf, es werden von ihr keinerlei Veröffentlichungen erwartet, 
die ihre Absichten vorzeitig dem Feinde kundtun, und dadurch die Durchführung 
der schweren Aufgaben vereiteln könnten. - 
2. Quelle: Meldung des Generalquartiermeisters von Stein 
vom 18. August 1914. 
Fundort: Kriegsdepeschen. Bd. 1. S. 47. 
Das Geheimnis von Lütitch kann jetzt entschleiert werden: 
Uns waren Nachrichten zugegangen, daß vor Ausbruch des Krieges ffran- 
zösische Offiziere und vielleicht auch einige Mannschaften nach Lüttich entsandt
	        
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