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waren, um die belgischen Truppen in der Handhabung des Festungsdienstes zu
unterrichten. Vor Ausbruch der Feindseligkeiten war dagegen nichts einzuwenden.
Mit Beginn des Krieges wurde es Neutralitätsbruch durch Frankreich und Belgien.
Wir mußten schnell handeln. Nichtmobilisierte Regimenter wurden an die Grenze
geworfen und auf Lüttich in Marsch gesetzt. Sechs schwache Friedensbrigaden mit
etwas Kavallerie und Artillerie haben Lüttich eingenommen. Danach wurden sie
dort mobil und erhielten als erste Verstärkung ihre eigenen Ergänzungsmann—
schaften. Zwei weitere Regimenter konnten nachgezogen werden, die ihre Mobil—
machung soeben beendet hatten. Unsere Gegner wähnten bei Lüttich 120000
Deutsche, die den Vormarsch wegen Schwierigkeiten der Verpflegung nicht an—
treten könnten. Sie haben sich geirrt. Die Pause hatte einen anderen Grund.
Jetzt erst begann der deutsche Aufmarsch. Die Gegner werden sich überzeugen, daß
die deutschen Armeen gut verpflegt und ausgerüstet den Vormarsch antreten.
Der Kaiser hat sein Wort gehalten, an die Einnahme der Forts von Lüttich
nicht einen Tropfen deutschen Blutes mehr zu setzen. Der Feind kannte unsere
schweren Angriffsmittel nicht. Daher glaubte er sich in den Forts sicher. Doch
schon die schwächsten Geschütze unserer schweren Artillerie veranlaßten jedes durch
sie beschossene Forts nach kurzer Beschießung zur Übergabe. Die noch erhaltenen
Teile der Besatzungen retteten dadurch ihr Leben. Die Forts aber, gegen die
unsere schweren Geschütze feuerten, wurden in allerkürzester Frist in Trümmerhaufen
verwandelt, unter denen die Besatzung begraben wurde. Jetzt werden die Forts
aufgeräumt und wieder zur Verteidigung eingerichtet. Die Festung Lüttich soll
den von unseren Gegnern vorbereiteten Plänen nicht mehr dienen, sondern dem
deutschen Heere ein Stützpunkt sein. Der Generalquartiermeister von Stein.
117.
Der deutsche Vormarsch im Westen.
August 1914.
1. Quelle: Meldung des Generalquartiermeisters von Stein
vom 27. bis 31. August 1914.
Fundort: Kriegsdepeschen. S. 58 und 59.
Das deutsche Westheer ist neun Tage nach Beendigung seines Aufmarsches
unter fortgesetzten siegreichen Kämpfen in französisches Gebiet von Cambrai bis
zu den Südvogesen eingedrungen. Der Feind ist überall geschlagen und befindet
sich in vollem Rückzuge. Die Größe seiner Verluste an Gefallenen, Gefangenen
und Trophäen läßt sich bei der gewaltigen Ausdehnung der Schlachtfelder in zum
Teil unübersichtlichem Wald= und Gebirgsgelände noch nicht annähernd übersehen.
Die Armee des Generalobersten von Kluck hat die englische Armee bei Mau-
beuge geworfen und sie heute südwestlich Maubeuge unter Umfassung erneut an-
gegriffen.
Die Armeen des Generalobersten von Bülow und des Generalobersten Frei-
herrn von Hausen haben etwa acht Armeekorps französischer und belgischer Truppen
zwischen Sambre, Namur und Maas in mehrtägigen Kämpfen vollständig ge-
schlagen und verfolgen sie jetzt östlich Maubeuge vorbei. Namur ist nach zwei-
tägiger Beschießung gefallen. Der Angriff auf Maubeuge ist eingelcitet.
Die Armee des Herzogs Albrecht von Württemberg hat den geschlagenen
Feind über den Semois verfolgt und die Maas überschritten.