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119.
Ostpreußens Bedrängnis und Befreiung.
August und September 1914.
1. Quelle: Meldung des Generalquartiermeisters von Stein
vom 24. August 1914.
Fundort: Kriegsdepeschen. Bd. 1. S. 55.
Während auf dem westlichen Kriegsschauplatz die Lage des deutschen Heeres
durch Gottes Gnade eine unerwartet günstige ist, hat auf dem östlichen Kriegs-
schauplatz der Feind deutsches Gebiet betreten. Starke russische Kräfte sind in
Richtung der Angerapp und nördlich der Eisenbahn Stallupönen—Insterburg vor-
gedrungen. Das erste Armeekorps hatte den Feind bei Wirballen in siegreichem
Gefecht aufgehalten. Es wurde zurückgenommen auf weitere, rückwärts stehende
Truppen. Die hier versammelten Kräfte haben den auf Gumbinnen und südlich
vorgehenden Gegner angegriffen. Das I. Armeekorps warf den gegenüberstehenden
Feind siegreich zurück, machte 8000 Gefangene und eroberte mehrere Batterien.
Eine zu ihr gehörende Kavalleriedivision warf zwei russische Kavalleriedivisionen
und brachte 500 Gefangene ein. Die weiter südlich kämpfenden Truppen stießen
teils auf starke Befestigungen, die ohne Vorbereitung nicht genommen werden
konnten, teils befanden sie sich in siegreichem Fortschreiten. Da ging die Nachricht
ein vom Vormarsch weiterer feindlicher Kräfte aus Richtung des Narews gegen
die Gegend südwestlich der Masurischen Seen. Das Oberkommando glaubte, hier-
gegen Maßnahmen treffen zu müssen und zog seine Truppen zurück. Die Lösung
vom Feind erfolgte ohne jede Schwierigkeit. Der Feind folgte nicht. Die auf
dem östlichen Kriegsschauplatz getroffenen Maßnahmen mußten zunächst durch-
geführt und in solche Bahnen geleitet werden, daß eine neue Entscheidung gesucht
werden kann. Diese steht unmittelbar bevor.
Der Feind hat die Nachricht verbreitet, daß er vier deutsche Armeekorps ge-
schlagen habe. Diese Nachricht ist unwahr. Kein deutsches Armeekorps ist ge-
schlagen. Unsere Truppen haben das Bewußtsein des Sieges und der Über-
legenheit mit sich genommen. Der Feind ist über die Angerapp bis jetzt nur mit
Kavallerie gefolgt; längs der Eisenbahn soll er Insterburg erreicht haben.
Die beklagenswerten Teile der Provinz, die dem feindlichen Einbruch aus-
gesetzt sind, bringen dieses Opfer im Interesse des ganzen Vaterlandes. Daran
soll sich dasselbe nach erfolgter Entscheidung dankbar erinnern.
2. Quelle: Erste Meldung des Sieges von Tannenberg.
Fundort: Kriegsdepeschen. Bd. 1. S. 1.
Berlin, 29. August.
Unsere Truppen in Preußen unter Führung des Generalobersten von Hinden-
burg haben die vom Narew vorgegangene russische Armee in der Stärke von
fünf Armeekorps und drei Kavalleriedivisionen in dreitägiger Schlacht in der
Gegend von Gilgenburg und Ortelsburg geschlagen und verfolgen sie jetzt über
die Grenze. Generalquartiermeister von Stein.