Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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Im Feld wie im Frieden beginnt er seine Arbeit unmittelbar nach dem 
ersten Frühstück. Er steht im Sommer um 6 Uhr auf, im Winter eine Stunde 
später. Das Arbeiten dauert bis gegen 11 Uhr. Darauf wird bei jedem Wetter 
und zu allen Jahreszeiten ein ausgiebiger Spaziergang unternommen, jetzt im 
Kriege, wie früher im Frieden. Ich sah ihn ein paarmal in sein gedecktes Auto- 
mobil steigen und mit seinem Adjutanten aufs Land hinausfahren, um in irgend- 
einem friedlichen Wald mehr oder weniger gebahnte Wege zu wandern. Fünf 
Minuten vor 1 Uhr kommt er zurück, um sich für das Mittagessen fertig zu 
machen, das Punkt 1 Uhr beginnt. Man könnte seine Uhr nach seiner äußerst 
genauen Einteilung der Stunden des Tages stellen. Das Essen ist einfach; er 
trinkt dazu gern ein Glas Moselwein. 
Wenn er vom Mittagstisch aufsteht, geht er direkt in seine Zimmer hinauf, 
um zu ruhen. Um 4 Uhr beginnt die Arbeit wieder und dauert bis einige 
Minuten vor 8 Uhr. Im Frieden genießt er gegen 4 Uhr im Familienkreis 
Kaffee mit Kuchen, ein sogenanntes Vesperbrot, worauf er Besuche empfängt und 
je nachdem mit den Seinen ausgeht oder arbeitet. Er sieht immer, nicht zum 
wenigsten im Felde, Gäste an seinem Tisch und hat ein großes Vergnügen daran, 
sich mit ihnen zu unterhalten und selbst über die brennenden Tagesfragen zu 
sprechen. 
Punkt 8 Uhr wird die Abendmahlzeit eingenommen, und die Unterhaltung 
beim Bier dauert bis gegen 11 Uhr. So geht es den einen Tag wie den andern, 
ohne Störung. Wie der Krieg nicht vermocht hat, Hindenburgs Lebensweise zu 
ändern, so haben auch des Krieges Härte und seine weltgeschichtlich bedeutungs- 
vollen Ereignisse seine überlegene Geistesstärke nicht beunruhigen können. Er war 
genau derselbe während der masurischen Tage Anfang Februar wie jetzt. Als im 
Dezember alles für Scheffer und Litzmannt) bangte, da sie von den Russen östlich 
von Lodz hoffnungslos eingeschlossen zu sein schienen, bewahrte Hindenburg seine 
Gelassenheit und fragte, als eben die Unruhe am größten war, woher die prächtige 
Torte gekommen sei, die auf dem Mittagstisch stand! Sie war von der Mutter 
eines jungen Leutnants geschickt worden, und diese empfing dafür seinen be- 
sonderen Dank. Die scheinbar eingeschlossenen Korps brachen denn auch mit jener 
kalten Entschlossenheit durch, die der Feldherr sich berechtigt glaubte, von ihnen 
zu erwarten, und sie machten obendrein 12000 Gefangene! Eine solche Ruhe ist 
wohl zum großen Teil eine Gabe der Natur. Sie ist aber auch eine Folge der 
Erziehung zum Tragen der schwersten Verantwortung, worin die deutschen Offi- 
ziere von Anfang an geübt werden. 
Hindenburg ist der Abgott der Soldaten; denn der Sieg ist an seinen Feld- 
herrnstab gebunden. Die Soldaten werden durch seinen bloßen Namen zu den 
allergrößten Anstrengungen angefeuert und gehen mit Begeisterung für ihn in den 
Tod. Unser Held ist aber auch wie ein Vater für seine Truppen, und er kümmert 
sich in jeder Weise um ihr Wohlergehen. 
1) Gedacht ist hier an eine der schönsten Waffentaten des Feldzuges, wie der General- 
stabsbericht vom 1. Dezember 1914 sich ausdrückt. Als nämlich die Generale Scheffer- 
Boyadel und Litzmann versuchten, größere russische Truppenmassen zu umgehen, wurden 
sie ihrerseits östlich von Lodz umzingelt; aber sie schlugen sich in der Nacht vom 24. auf 
25. November 1914 in der Richtung auf Brzeiny durch den bereits gebildeten Ring durch 
und brachten sogar noch 12000 Gefangene und 25 eroberte Kanonen mit.
	        
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