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Rührend ist das Verhältnis zwischen Hindenburg und seinem Generalstabschef.
Nur der Tod kann ihren Treubund lösen. Es ist oft gefragt worden, ob der
Feldmarschall oder der Generalstabschef die Operationen plant; aber man kann
überzeugt sein, daß die beiden sich ergänzen. Doch trägt der Feldherr allein die
Bürde der Verantwortung. Der Oberbefehlshaber und sein Generalstabschef sind
so nicht nur durch die Bande der Freundschaft, sondern auch durch die gemein-
same fruchtbringende Arbeit untrennbar verbunden. Wenn man die beiden
Generale sich unterhalten sieht, hat man ein Gefühl von unbezwinglicher über-
wältigender Kraft. Der „Feldherr der Zukunft“ ist der Name, den der Feld-
marschall seinem Ludendorff gegeben hat, und was dieser von seinem Vorgesetzten
denkt, das ist an der Ostfront allen wohlbekannt. Die Worte, die Prinz Joachim
einmal dem Schwiegersohn Hindenburgs schrieb, können als Ausdruck der Gefühle
dienen, die das ganze Heer für den Sieger von Tannenberg hat: „Sie wissen,
ich bin kein Schuster; aber für Hindenburg lasse ich mich gerne totschlagen!“
Im Sommer 1914 stattete der General seinem Schwiegersohn auf seinem
Gute Großjustin bei Cammin in Pommern einen längeren Besuch ab, wie in
jedem Semmer
Hier war es auch, wo er am 31. Juli 1914 die Nachricht vom verschärften
Kriegszustand erhielt. Voller Stolz und Siegesgewißheit verschlang er die folgen-
schweren Telegramme dieser denkwürdigen Tage, als das Geschick der Welt an
einem Haar hing, das zerriß. Aber es schmerzte ihn auch tief, nun nicht mehr auf
ein Kommando Anspruch erheben zu können. Seine Zeit war ja schon vorbei.
Er gehörte zu der Generation, die dahinging. Jüngere Kräfte sollten nun zur
Verteidigung des Vaterlandes vorrücken.
Er hatte jedoch nicht die Ruhe, in einer solchen Zeit auf dem Lande zu
bleiben, sondern begab sich sofort nach Hannover, um bei der Hand zu sein, wenn
doch vielleicht ein Ruf auch zu ihm gelangen sollte. Am Tag darauf, am 31. Juli,
trat Bahnsperre ein; er kehrte also im letzten Augenblick nach Hause zurück.
Hier verfolgte er die Ereignisse mit leidenschaftlicher Aufmerksamkeit. Auf
seinen Karten zeichnete er den Gang der russischen Invasion in Ostpreußen ein
und wußte jeden Tag, was er getan haben würde, wenn ihm die Verteidigung
des nordöstlichen Grenzlandes anvertraut gewesen wäre.
So über seine Karten gebeugt, fand ihn am 21. August sein Diener, der ihm
ein Telegramm hereinbrachte. Er öffnete es und las, daß „Seine Mojestät der
Kaiser ihm unter gleichzeitiger Ernennung zum Generalobersten und unter gleich-
zeitiger Rückpatentierung ein ihn ehrendes Kommando anvertraut habe."
Man wird seine Gefühle verstehen und begreifen, daß er mit einem Male
zehn Jahre jünger wurde, und um nochmal zehn Jahre wurde gewiß seine Ar-
beitskraft verjüngt, als ihm bald darauf ein neues Telegramm meldete, daß gegen
Abend ein Extrazug ihn nach Osten führen solle, und daß er in diesem Zug seinen
Generalstabschef Ludendorff finden werde! Das war am Abend des 22. August.
Fünf Tage später begann die Schlacht bei Tannenberg, die Hindenburg in die
erste Reihe der deutschen Heerführer während des großen Krieges stellte und
seinen Namen unsterblich machte.