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bis 200000 Schuß auf die Abschnitte der einzelnen Divisionen nieder. Man ver—
steht, daß einem derartigen rasenden Munitionsaufwand gegenüber am Ende auch
die sorgfältigst angelegten Annäherungswege, die nach allen Regeln der Pionier-
kunst befestigten Grabenböschungen zum Opfer fallen mußten. Ein einziger Schuß
aus einem schweren 28-cm-Mörser riß ja schon Trichter von 5—6 m Tiefe und
noch größerem Durchmesser in den Beden
Und immer weiter hämmerte das rasende Feuer, immer weiter und weiter.
Immer neue Hunderte von Geschossen jagten heran und rissen neue Trichter in
das aufgewühlte Erdreich. Eine dichte, dunkle Wolke lagerte über der ganzen
Gegend, ein Gemisch von Erd= und Kreidestaub und dem Rauch der platzenden
Geschosse.
Und in diesem Höllenlärm, dem fast undurchdringlichen Dunst stehen, knien
und liegen an den Stellen, auf die sie gestellt sind, die Beobachtungsposten der
deutschen Gräben. Sie müssen dort oben aushalten, müssen warten, bis der er-
lösende feindliche Angriff kommt, der auf ihre Meldung hin die unten tief in
ihren Erdlöchern sitzende Besatzung ans Tageslicht ruft, zum Kampf Mann gegen
Mann. Die Beobachtungsstände, die den darin Stehenden wenigstens einen Schutz
gegen die Splitter feindlicher Geschosse bieten sollten, sind größtenteils längst zer-
stört. Andere Deckung gilt es auszunutzen, aufgewühltes Erdreich oder die Trichter
der schweren feindlichen Geschosse.
Die Namen aller dieser Männer, die dort oben während des v6stündigen
Trommelfeuers ihren Dienst versehen haben, müssen für alle Zeiten in der Ge-
schichte dieses Krieges aufgezeichnet werden.
Aber dasselbe Heldentum lebt auch dort unten in den Stollen, die sechs und
mehr Meter unter der Erde die Besatzungen der Stellungen bergen. Eng an-
einandergeschmiegt auf kleinem Raum, teils ohne Licht, in schlechter Luft sitzen
dort die Verteidiger der deutschen Stellung, stundenlang, tagelang und warten
und warten auf das Signal, das sie endlich, endlich nach oben ruft zum offenen,
ehrlichen Kampf. Auch sie kämpfen schon jetzt dort unten, noch bevor die eigent-
liche Schlacht begonnen hat, einen Kampf um ihr Leben. Immer wieder drohen
die Eingänge, die tiefen, in die Unterstände führenden Stollen, von dem auf-
gewühlten Erdreich in der Nähe einschlagender Geschosse verschüttet zu werden;
dauernd steht der Besatzung der Tod durch' Ersticken vor Augen. Aber sie müssen
sich am Leben erhalten. Sie müssen später zur Stelle sein, wenn es gilt, den
anstürmenden Feinden gegenüber den Graben zu behaupten. Und unaufhörlich
arbeiten sie, um die Ausgänge von den sie versperrenden Trümmern und Erdmassen
frei zu halten für den Augenblick, da das Alarmzeichen ertönt, da es gilt, hinauf
zu eilen und in den Uberresten der Stellung dem feindlichen Ansturm entgegen-
zutreten.
Noch ist dieser Zeitpunkt nicht gekommen, obgleich schon zwei Tage, volle
48 Stunden, das feindliche Trommelfeuer ununterbrochen auf die deutschen
Stellungen herniederrast.
Am 24. September morgens hält drüben der französische Führer den Augen-
blick für gekommen, Erkundungsabteilungen zu entsenden. Sie sollen sich von der
Wirkung des französischen Artilleriefeuers überzeugen, sollen feststellen, ob dort
drüben in den deutschen Gräben, wo sich nichts mehr regt, wirklich alles Leben
erstorben ist, ob das Feuer aus den Tausenden von Geschützen bereits seine Arbeit