Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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127. 
Die Eroberung Belgrads. 
6.—9. Oktober 1915. 
Quelle: Amtliche Darstellung des Großen Hauptgquartiers 
vom 9. November 1915. 
Fundort: Kriegsdaheim. Bd. 5. Anhang. S. 54 und 55. 
Als sich in der zweiten Hälfte des Monats September der Aufmarsch der 
verbündeten Heere auf dem nördlichen Donauufer vollzog, dachte man in Serbien 
noch nicht an die von dort her drohende Gefahr. Der Feind hatte wohl Kenntnis 
von Truppenausladungen; er rechnete aber nur, wie spätere Gefangenenaussagen 
bestätigen, mit einer stärkeren Besetzung der Verteidigungsstellung der ungarischen 
Donauseite. Wie konnte auch an eine Offensive der Verbündeten in einer ganz 
neuen Richtung gedacht werden zu einer Zeit, in der die Entente Angriffe größeren 
Stils auf allen Kriegsschauplätzen vorbereitete. So vereinigte Serbien seine Haupt- 
kraft gegen den Erbfeind Bulgarien, dessen Haltung sich immer mehr der Entente 
zu entfremden schien. Es galt für die Verbündeten, den Serben möglichst lange 
in seinem Glauben zu belassen, um dann überraschend mit starker Kraft an ver- 
schiedenen Stellen gleichzeitig serbischen Boden betreten zu können. 
Welche Schwierigkeiten es macht, einen Fluß zu überwinden, dessen Breite 
durchschnittlich 700 m und mehr beträgt, dessen Wellen bei der herbstlichen Kossava 
denen der See gleichkommen und der zumeist von Höhen überragt ist, die einer 
feindlichen Artillerie denkbar günstige Wirkungen ermöglichen, wird auch jedem 
Fernstehenden klar sein. Hielten auch nicht die Hauptkräfte der Serben das süd- 
liche Donauufer besetzt, so ergaben doch die angestellten Erkundungen, daß der 
Feind ebenfalls hier auf der Hut war und die Nordgrenze seines Reiches mit 
fortlaufenden Verteidigungsanlagen versehen hatte, zu deren Besetzung nicht un- 
erhebliche Truppen und Artillerie bereit standen. Den Hauptstützpunkt der Ver- 
teidigungsanlagen bildete die Festung Belgrad, jenes alte Bollwerk, das, seiner- 
zeit von den Türken angelegt, der ruhmvolle Kriegsschauplatz Prinz Eugenscher 
Truppen gewesen war. Hier sollten 200 Jahre später die Nachkommen jener sieg- 
reichen Heere, wiederum zum Bunde vereint, sich ihrer Vorfahren würdig er- 
weisen 
An dieser Stelle verfügte der Feind zum Schutze seiner Hauptstadt über starke 
Artillerie. Englische und französische Geschütze krönten gemeinsam mit serbischen 
den Kalimegdan, jene der Hauptstadt vorgelegene, weithin sichtbare Zitadelle, und 
mittlere und schwere Kaliber harrten auf den überragenden Höhen des Topcider 
und Barnovo ihrer Ziele . Hier galt es, im schweren Artillerieduell erst seine 
UÜberlegenheit zu beweisen. Noch war es nicht geglückt, die zum Teil gut ein- 
gedeckten, schwer auffindbaren Geschütze zum Schweigen zu bringen, als bereits 
die Zeit für den Ubergang gekommen war. Die gegen Sicht schützende Nacht 
mußte hier helfend beistehen. Als der Morgen graute, lagen vier österreichisch- 
ungarische Bataillone am Fuße der Belgrader Zitadelle. Notdürftig durch einen 
Bahndamm gedeckt, mußten jene Tapferen in schwerem Kampfe 12 Stunden aus- 
harren, bis die Nacht ersehnte Verstärkung brachte. 
Deutsche waren unterdessen in fortlaufendem Ubersetzen auf die vom Feind 
besetzte südwestlich Belgrad gelegene Große Zigeunerinsel gewesen. Hier lauerte in 
dichtem Buschwerk ein gut bewaffneter, zäh sich verteidigender Gegner. Trotzdem
	        
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