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berühmten Note, welche der Vierverband der bulgarischen Regierung übergeben
hat; aus dem aber, was man gesprochen und in den Zeitungen geschrieben hat,
ersieht man:
1. daß uns Rußland und seine Verbündeten nichts für unsere Neutralität
geben, dagegen aber verlangen, daß wir uns möglichst bald an dem Krieg be—
teiligen;
2. daß Bulgarien seine Armeen dem Vierverband zur vollen Verfügung über—
lassen soll, der sie kommandieren und dorthin senden will, wo er es für gut findet;
3. daß die bulgarische Armee Konstantinopel erobern und dann Rußland über-
geben muß, und
4. gegen all dieses gestattet man Bulgarien, daß es das Territorium bis zur
Linie Enos-Midia behält und verspricht ihm einige ganz unklare und unzureichende
Kompensationen in Mazedonien, doch nur für den Fall, daß Serbien genügend
von Osterreich kompensiert wird.
Die Versprechungen Deutschlands und ÖOsterreich-Ungarns an Bulgarien für
seine Neutralität sind in der Hauptsache die folgenden:
1. ganz Mazedonien, einschließlich Skopie, Bitolia, Ochrid usw.;
2. freundschaftliche Vermittlung zwischen Bulgarien und der Türkei zum
Zwecke der Abtretung der Linie nach Dedeagatsch und des westlich am rechten
Maritzaufer gelegenen Territoriums. Diese Einigung mit der Türkei erwartet man
in kurzer Zeit.
Noch weitergehende territoriale Versprechungen auf Kosten Serbiens haben
uns die Zentralmächte für unsere aktive militärische Mithilfe gemacht. Diese Ver-
sprechungen entsprechen unserem Verlangen, längs der Donau eine gemein-
schaftliche Grenze mit Osterreich-Ungarn zu haben. Der gegenwärtige Krieg hat
gezeigt, wie unbedingt notwendig es ist, daß wir direkt und unmittelbar mit
Ungarn eine Verbindung haben müssen, um von einem verrückt gewordenen
Serbien unabhängig zu sein. Aber auch andere Teile von Altserbien sind uns
in Aussicht gestellt worden.
Man sieht hier deutlich, daß der Vierverband gegen geringe, ungenaue und
zweifelhafte Vorteile von uns große Opfer fordert, und daß Deutschland und
Osterreich-Ungarn uns deutlich und ka egorisch zu verstehen geben, was sie uns
gegen unvergleichlich geringere Opfer von unserer Seite geben wollen. Doch die
Frage hat auch eine andere Seite. Wir glauben überhaupt an keine Ver-
sprechungen mehr und noch weniger an solche des Vierverbandes, der Italien als
Verbündeten aufnahm, welches auf eine so hinterlistige Art sein Ehrenwort mit
Füßen trat und einen 33jährigen Bündnisvertrag gebrochen hat. Wir haben
jedoch im Gegenteil vollen Grund, an einen Vertrag mit Deutschland zu glauben,
das stets seine Vertragsverpflichtungen erfüllt hat und sich mit der ganzen Welt
schlägt, nur um seinen vertraglichen Pflichten gegenüber der österreichisch-ungarischen
Monarchie nachzukommen. Unsere Hoffnung, unser Ideal ist aber vor allem
Mazedonien und dann erst die anderen Länder, die man uns in Bukarest ge-
stohlen hat.
Die Erreichung dieses Ideals kann und wird nur dann erfolgen, wenn wir die
Neutralität preisgeben.
Schließlich müssen wir zu einer Mächtegruppe halten, die in dem gegen-
wärtigen Krieg den Sieg davontragen wird, weil wir nur so die wesentlichen
Gebietserweiterungen und unsere weitere Entwicklung sichern können. Aus der