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geschlossen, durch den Zutritt Deutschlands und Italiens aber dann erweitert
worden war. In dem Vertrage verpflichteten sich die Vertragschließenden zu
gegenseitiger Waffenhilfe im Falle eines unprovozierten Angriffes von dritter
Seite. Als der Krieg ausbrach, vertrat König Karol mit Energie die Überzeugung,
daß Rumänien, das den Zentralmächten 30 Jahre seiner gesicherten politischen
Existenz und eines ungeheuren Aufwachsens verdankte, nicht nur nach dem Wort-
laut des Vertrages, sondern um der Ehre des Landes willen sich den Zentral-
mächten anschließen müsse. Als eine Verleugnung des Bündnisvertrages erschien
dem verstorbenen König der Einwand, daß Rumänien von der österreichisch-
ungarischen Demarche in Serbien nicht benachrichtigt und über sie nicht befragt
worden sei. Aber in dem entscheidenden Kabinettsrat drang der bejahrte König
mit seiner Meinung gegen eine Regierung nicht durch, deren Ministerpräsident von
Anfang an über alle bestehenden Verträge hinweg mit der Entente sympathisierte.
Kurze Zeit darauf starb der König an den Folgen der seelischen Erregungen, die ihm das
Bewußtsein bercitet hatten, daß Rumänien seine Bundesgenossen verraten würde.
Die rumänische Politik unter Leitung des Herrn Bratianu ging darauf aus,
sich auf Kosten der im Völkerkriege leidenden Parteien zu bereichern, ohne große
eigene Opfer bringen zu müssen. Es hieß nur, rechtzeitig zu erkennen, auf welche
Seite sich die Wagschale des Sieges endgültig neigen werde und den Augenblick
des Anschlusses nicht zu verpassen. Schon im ersten Kriegsjahre, vermutlich nach
dem Fall von Lemberg, schloß Bratianu hinter dem Rücken seines Souveräns
einen Neutralitätsvertrag mit Rußland. Nach dem Fall von Przemysl schien ihm
die Zeit gekommen, sich mit unseren Gegnern über den Judaslohn zu verständigen.
Aber Rußland wünschte seinen eigenen ungeheuren Länderbesitz durch die
Bukowina zu vergrößern; auf das Banat aber hatte Serbien sein Auge geworfen,
während Rumänien nicht nur die Bukowina, sondern auch die österreichisch-un-
garischen Gebietsteile bis zur Theiß für sich haben wollte. So kam es nicht zum
Abschluß; aber die rumänische Neutralität nahm immer mehr die Form einer ein-
seitigen Begünstigung der Ententemächte an. Um die Hungerpolitik Englands zu
unterstützen, suchte man das von uns aufgekaufte Getreide zurückzuhalten, und es
bedurfte unseres sehr energischen Druckes, um seine Freigabe zu erwirken.
Nach dem Durchbruch bei Gorlice wurde Herr Bratianu zweifelhaft, ob er auf
das richtige Pferd gesetzt habe. Die Verhandlungen mit der Entente gerieten ins
Stocken. Immer war es ja die allgemeine Kriegslage, die die rumänische Politik
bestimmte.
Als dann aber die große russische Offensive dieses Frühjahres kam und gleich-
zeitig danach die Angriffe an der Somme einsetzten, glaubte Herr Bratianu den
Zusammenbruch der Zentralmächte vor sich zu sehen. Jetzt war er entschlossen, sich
an dem vermeintlichen Leichenraub zu beteiligen. Die Ententemächte ihrerseits
hatten mit ihren Verhandlungen mit Herrn Bratianu freiere Hand als vorher.
Serbien war besiegt; die Beschützer der kleinen und schwachen Staaten brauchten
also auf die früheren Annexionswünsche dieses Landes keine Rücksicht mehr zu
nehmen. Um so freigiebiger konnten sie sich Rumänien gegenüber bezeigen. Um
die Mitte August wurde Herr Bratianu mit unseren Gegnern handelseinig. Den
Zeitpunkt des Losschlagens behielt er sich vor; er machte ihn von gewissen Vor-
aussetzungen militärischer Art abhängig.
Der König hatte uns bis dahin unverändert versichert, daß er neutral bleiben
werde. Am 5. Februar dieses Jahres hatte der hiesige rumänische Gesandte auf