Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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gelegte Fahrrinne nach der Nordküste der Insel Oesel. Der Hauptteil der Flotte 
nahm Kurs auf die Taggabucht, während sich ein anderer Verband von Kriegs- 
schiffen und Transportdampfern dem Soelosund näherte. Voran liefen die Tor— 
pedobootsflottillen und kleinen Dampfer mit der Vorhut. Leichte Morgennebel 
lagen über dem Wasser, die nur undeutlich die Schattenrisse der Nachbarschiffe er— 
kennen ließen, während die Küste selbst noch völlig im Dämmerdunst begraben 
lag. Von den Küstenforts auf Toffri, die den Sund schützen sollten, war nichts 
zu erkennen. Lange fragten vergebens die geleitenden Kriegsschiffe, die durch ihr 
Feuer die Landung ermöglichen sollten, bei den vordersten Booten durch Funk- 
spruch nach der Lage der Batterie an. Ein einziger grauer Dunstschleier hatte die 
Küste verhängt. 
Während die vordersten Boote sich unter dauerndem Loten dem Kap Pamerort 
näherten, blitzte es plötzlich von der gegenüberliegenden Südspitze von Dagö auf. 
Die Batterie Toffri hatte den Feind erkannt. Kaum eine Sekunde später donnerte 
es auf den deutschen Schiffen auf, die für einen Augenblick in den aufschwelenden 
rötlichgelben Rauchwolken verschwanden. Am Strande stoben hohe Sand= und 
Wasserfontänen auf. Die erste Salve lag zu kurz, aber mitten vor den Batterien, 
die sich durch ihr Mündungsfeuer verraten hatten. Bald erkannte man die Kon- 
turen der Wälle vor dem dunklen Hintergrund des Waldes. Die Batterie mußte 
von der Transportflotte ablassen und hatte Arbeit genug, sich der Kriegsschiffe 
zu erwehren. Wieder fuhren gleich weisenden Riesenfingern die langen Rohre der 
Panzertürme in die Höhe; wieder zischten gelbe Feuerschlangen aus den Mündungen. 
Die zweite Salve traf ins Ziel; nur noch drei Geschütze feuerten weiter auf Toffri. 
Bald verstummte dos Feuer völlig; die Batterie war niedergekämpft. 
IInzwischen wimmelte es an der gegenüberliegenden Küste von Pamerort auf 
den Wassern von Booten, Motorbarkassen und Dampfpinassen, die in eiligem Hin 
und Her die Vorhut an Land trugen. Die auf Pamerort als vorhanden gemeldete 
Batterie sollte ein Landungskorps der Marine von der Rückseite her nehmen. 
Allein die letzten Fliegermeldungen hatten das Vorhandensein dieser Batterie schon 
zweifelhaft erscheinen lassen, und wirklich fanden die ersten feldgrau gekleideten 
Blaujacken kaum Widerstand. Eine schwache Grenzschutz-Abteilung wurde verjagt 
und zum Teil gefangen genommen. Dann besetzten die Matrosen die Signal- 
station Pamerort und sicherten brückenkopfartig das Kap, während die inzwischen 
gelandeten Armeetruppen sich eilig auf ihre Fahrräder schwangen und sofort ost- 
wärts radelten. 
2. Quelle: Amtliche Zusammenfassung vom 17. Oktober 1917. 
Fundort: Hannoverscher Kurier vom 18. Oktober 1917. (Morgenausgabe.) Nr. 333938. 
Die Eroberung Oesels hat der deutschen Marine nicht nur den Besitz des 
Rigaer Meerbusens gesichert, den bisher die schweren russisch-englischen Geschütze 
von Zerel (Südküste Oesels) beherrschten, sondern sie hat auch die seestrategische 
Lage in der Ostsee völlig zugunsten Deutschlands umgeschaffen. Die beiden Eck- 
pfeiler unserer jetzigen Ostseestellung sind im Westen die Kieler Bucht, im Osten 
der Rigaer Meerbusen mit dem schützenden Oesel. Wie aber Kiel gleichzeitig den 
südlichen Zugang zur Nordsee (durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal) beherrscht, so 
bildet auf der anderen Seite Oesel den südlichen Vorflügel zum Eingang in den 
Finnischen Meerbusen und dadurch nach Westen und nach Norden den Scheitel- 
punkt der Vormachtstellung in der Ostsee. Der Besitz dieser Stellung sichert ferner 
W u. O. Heinze-Kinghborst, Quellenlesebuch. III. 16
	        
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