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gelegte Fahrrinne nach der Nordküste der Insel Oesel. Der Hauptteil der Flotte
nahm Kurs auf die Taggabucht, während sich ein anderer Verband von Kriegs-
schiffen und Transportdampfern dem Soelosund näherte. Voran liefen die Tor—
pedobootsflottillen und kleinen Dampfer mit der Vorhut. Leichte Morgennebel
lagen über dem Wasser, die nur undeutlich die Schattenrisse der Nachbarschiffe er—
kennen ließen, während die Küste selbst noch völlig im Dämmerdunst begraben
lag. Von den Küstenforts auf Toffri, die den Sund schützen sollten, war nichts
zu erkennen. Lange fragten vergebens die geleitenden Kriegsschiffe, die durch ihr
Feuer die Landung ermöglichen sollten, bei den vordersten Booten durch Funk-
spruch nach der Lage der Batterie an. Ein einziger grauer Dunstschleier hatte die
Küste verhängt.
Während die vordersten Boote sich unter dauerndem Loten dem Kap Pamerort
näherten, blitzte es plötzlich von der gegenüberliegenden Südspitze von Dagö auf.
Die Batterie Toffri hatte den Feind erkannt. Kaum eine Sekunde später donnerte
es auf den deutschen Schiffen auf, die für einen Augenblick in den aufschwelenden
rötlichgelben Rauchwolken verschwanden. Am Strande stoben hohe Sand= und
Wasserfontänen auf. Die erste Salve lag zu kurz, aber mitten vor den Batterien,
die sich durch ihr Mündungsfeuer verraten hatten. Bald erkannte man die Kon-
turen der Wälle vor dem dunklen Hintergrund des Waldes. Die Batterie mußte
von der Transportflotte ablassen und hatte Arbeit genug, sich der Kriegsschiffe
zu erwehren. Wieder fuhren gleich weisenden Riesenfingern die langen Rohre der
Panzertürme in die Höhe; wieder zischten gelbe Feuerschlangen aus den Mündungen.
Die zweite Salve traf ins Ziel; nur noch drei Geschütze feuerten weiter auf Toffri.
Bald verstummte dos Feuer völlig; die Batterie war niedergekämpft.
IInzwischen wimmelte es an der gegenüberliegenden Küste von Pamerort auf
den Wassern von Booten, Motorbarkassen und Dampfpinassen, die in eiligem Hin
und Her die Vorhut an Land trugen. Die auf Pamerort als vorhanden gemeldete
Batterie sollte ein Landungskorps der Marine von der Rückseite her nehmen.
Allein die letzten Fliegermeldungen hatten das Vorhandensein dieser Batterie schon
zweifelhaft erscheinen lassen, und wirklich fanden die ersten feldgrau gekleideten
Blaujacken kaum Widerstand. Eine schwache Grenzschutz-Abteilung wurde verjagt
und zum Teil gefangen genommen. Dann besetzten die Matrosen die Signal-
station Pamerort und sicherten brückenkopfartig das Kap, während die inzwischen
gelandeten Armeetruppen sich eilig auf ihre Fahrräder schwangen und sofort ost-
wärts radelten.
2. Quelle: Amtliche Zusammenfassung vom 17. Oktober 1917.
Fundort: Hannoverscher Kurier vom 18. Oktober 1917. (Morgenausgabe.) Nr. 333938.
Die Eroberung Oesels hat der deutschen Marine nicht nur den Besitz des
Rigaer Meerbusens gesichert, den bisher die schweren russisch-englischen Geschütze
von Zerel (Südküste Oesels) beherrschten, sondern sie hat auch die seestrategische
Lage in der Ostsee völlig zugunsten Deutschlands umgeschaffen. Die beiden Eck-
pfeiler unserer jetzigen Ostseestellung sind im Westen die Kieler Bucht, im Osten
der Rigaer Meerbusen mit dem schützenden Oesel. Wie aber Kiel gleichzeitig den
südlichen Zugang zur Nordsee (durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal) beherrscht, so
bildet auf der anderen Seite Oesel den südlichen Vorflügel zum Eingang in den
Finnischen Meerbusen und dadurch nach Westen und nach Norden den Scheitel-
punkt der Vormachtstellung in der Ostsee. Der Besitz dieser Stellung sichert ferner
W u. O. Heinze-Kinghborst, Quellenlesebuch. III. 16