Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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Art. 70. Jeder Preuße, welcher das 25. Lebensjahr vollendet hat und in der 
Gemeinde, in welcher er seinen Wohnsitz hat, die Befähigung zu den Gemeinde— 
wahlen besitzt, ist stimmberechtigter Urwähler. 
Art. 71. Auf jede Vollzahl von 250 Seelen der Bevölkerung ist ein Wahl- 
mann zu wählen. Die Urwähler werden nach Maßgabe der von ihnen zu ent- 
richtenden direkten Staatssteuern in drei Abteilungen geteilt, und zwar in der Art, 
daß auf jede Abteilung ein Drittel der Gesamtsumme der Steuerbeträge aller 
Urwähler fällt. 
Die Gesamtsumme wird berechnet: 
a) gemeindeweise, falls die Gemeinde einen Urwahlbezirk für sich bildet; 
b) bezirksweise, falls der Urwahlbezirk aus mehreren Gemeinden zusammen- 
gesetzt ist. 
Die erste Abteilung besteht aus denjenigen Urwählern, auf welche die höchsten 
Steuerbeträge bis zum Belaufe eines Dritteils der Gesamtsteuer fallen. 
Die zweite Abteilung besteht aus denjenigen Urwählern, auf welche die nächst 
niedrigeren Steuerbeträge bis zur Grenze des zweiten Dritteiles fallen. 
Die dritte Abteilung besteht aus den am niedrigsten besteuerten Urwählern, 
auf welche das dritte Dritteil fällt. 
Jede Abteilung wählt besonders, und zwar ein Dritteil der zu wählenden 
Wahlmänner 
Die Wahlmänner werden in jeder Abteilung aus der Zahl der stimmberech- 
tigten Urwähler des Urwahlbezirks ohne Rücksicht auf die Abteilungen gewählt. 
Art. 72. Die Abgeordneten werden durch die Wahlmänner gewählt. 
Art. 73. Die Legislaturperiode der zweiten Kammer wird auf fünf Jahrei) 
festgesetzt. 
Art. 74. Zum Abgeordneten der zweiten Kammer ist jeder Preuße wählbar, 
der das 30. Lebensjahr vollendet, den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte infolge 
rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses nicht verloren und bereits ein Jahr dem 
preußischen Staatsverbande angehört hat.. 
Art. 77. Die Eröffnung und die Schließung der Kammern geschieht durch 
den König in Person oder durch einen dazu von ihm beauftragten Minister in 
einer Sitzung der vereinigten Kammern. 
Beide Kammern werden gleichzeitig berufen, eröffnet, vertagt und geschlossen. 
Wird eine Kammer aufgelöst, so wird die andere gleichzeitig vertagt. 
Art. 78. Jede Kammer prüft die Legitimation ihrer Mitglieder und entscheidet 
darüber. Sie regelt ihren Geschäftsgang und ihre Disziplin durch eine Geschäfts- 
ordnung und erwählt ihren Präsidenten, ihre Vizepräsidenten und Schriftführer. 
Wenn ein Kammermitglied ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im 
Staatsdienste in ein Amt eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder ein höheres 
Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in der Kammer und kann 
seine Stelle in derselben nur durch neue Wahl wieder erlangen. 
Niemand kann Mitglied beider Kammern sein. 
Art. 79. Die Sitzungen beider Kammern sind öffentlich 
:) Ursprünglich dauerte die Legislaturperiode drei Jahre; durch Gesetz vom 27. Mai 
1888 ist sie auf fünf Jahre erhöht. ; durch Gesed 
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