Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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preußischer Oberherrschaft, welche an und für sich in der geographischen Lage der 
meisten Bundesstaaten im Verhältnis zu Preußen begründet ist, frische Nahrung 
gegeben, und die Eifersucht, mit welcher das 200jährige Wachsen des preußichhen 
Königshauses einen großen Teil der anderen deutschen Fürsten erfüllt, wirkt bei 
diesen in derselben Richtung, wie die Furcht vor Preußens Machtvergrößerungen 
auf ihre Kosten ' · 
Im Besitze der Macht, Majoritätsbeschlüsse der Bundesversammlung ziemlich 
sicher herbeizuführen, jedenfalls solche, die unwillkommen sind, verschleppen und 
hindern zu können, hat Osterreich sein Bestreben natürlich darauf gerichtet, den 
Wirkungskreis des ihm dienstbaren Instrumentes zu erweitern. Es ist zu diesem 
Behuf erforderlich, mehr und wichtigere Gegenstände als vor 1848 in den Kreis 
der Bundesgesetzgebung zu ziehen, dann aber auch bei Beschlußnahme über 
dieselbe das Widerspruchsrecht der einzelnen und der Minoritäten zu beseitigen 
und für Majoritätsbeschlüsse eine erweiterte Kompetenz zu gewinnen. Mit diesem 
Bestreben geht das der meisten Bundesstaaten, ganz abgesehen von dem Ein— 
flusse, den Osterreich auf sie übt, vermöge ihrer eigenen Interessen vollständig 
Hand in Hand. 
Die kleineren und Mittelstaaten haben keinen Beruf, einer Kräftigung des 
Bundes auf Kosten der einzelnen Regierungen abhold zu sein: sie finden in dem 
Bundesverhältnis allein die Garantie ihrer Existenz, und ihre Minister gewinnen 
durch dasselbe ein Piedestal, von welchem herab sie über die Angelegenheiten 
Deutschlands und Preußens, ja selbst in der europäischen Politik lauter mitreden 
können, als es zulässig wäre, wenn sie mit den großen Verhältnissen der Welt— 
politik in unmittelbare Beziehungen treten sollten. In der Bundesversammlung 
spricht jeder von ihnen ebenso laut und hat ebensoviel Stimmrecht wie Preußen, 
und insoweit sie zusammenhalten, geben sie den Ausschlag in den so häufig vor 
ihr Forum gezogenen Streitigkeiten Preußens und Osterreichs. Es ist nicht zu 
verwundern, wenn sie sich für die Befestigung und Ausbildung eines Instituts 
mit interessieren, in welchem sie mit einem vergleichungsweise so geringen Auf- 
wande nicht nur Sicherheit, sondern einen Zuwachs von politischer Wichtigkeit 
erlangen. 
In diesem System ist aber für Preußen, solange es nicht auf die Eigenschaft 
einer europäischen Macht verzichtet, kein Platz. Ein Großstaat, welcher seine innere 
und auswärtige Politik auf den Grundlagen seiner eigenen Kräfte selbständig 
sichern kann und will, darf zu einer strafferen Zentralisation des Bundes- 
verhältnisses nur in dem Maße die Hand bieten, als er die Leitung der Bundes- 
körperschaft zu gewinnen und gemeinsame Beschlüsse, die seiner eigenen Politik 
entsprechen, herbeizuführen vermag. Es ist also natürlich, daß Osterreich sowohl, 
wie Preußen gleichzeitig nach einer solchen Stellung im Deutschen Bunde streben. 
Diese ist aber nur für einen von ihnen möglich; Osterreich ist gegenwärtig in 
ihrem Besitz und, wie vorstehend entwickelt, mit allen Hilfsmitteln ausgestattet, 
um sich darin erhalten zu können. Bei der jetzigen Organisation des Bundes, 
und solange seine Beschlüsse allein von den deutschen Fürsten und ihren Ministern 
abhängen, ist es für Preußen nach aller menschlichen Voraussicht unmöglich, 
Osterreich den dominierenden Einfluß zu entreißen. Dessen ist sich Osterreich be- 
wußt, und darum lehnt es jeden Wunsch Preußens, sich über eine Teilung oder 
gemeinschaftliche Ausübung dieses Einflusses zu verständigen, ohne weiteres ab. 
Es hat erkannt, daß Preußen in der jetzigen Bundesversammlung zur Minorität
	        
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