Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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als ich um die Erlaubnis bat, die Vorgänge während seiner Abwesenheit darzu— 
legen, unterbrach er mich mit den Worten: 
„Ich sehe ganz genau voraus, wie das alles endigen wird. Da vor dem 
Opernplatz unter meinen Fenstern wird man Ihnen den Kopf abschlagen und 
etwas später mir.“ 
.Als er schwieg, antwortete ich mit der kurzen Phrase: „Et après, Sire!“ 
„Ja, après, dann sind wir tot“, erwiderte der König. „Ja,“ fuhr ich fort, „dann 
sind wir tot; aber sterben müssen wir früher oder später, und können wir an— 
ständiger umkommen? Ich selbst im Kampfe für die Sache meines Königs und 
Eure Majestät, indem Sie Ihre königlichen Rechte von Gottes Gnaden mit dem 
eigenen Blute besiegeln; ob auf dem Schafott oder auf dem Schlachtfelde, ändert 
nichts an dem rühmlichen Einsetzen von Leib und Leben für die von Gottes 
Gnaden verliehenen Rechte . . . Ew. Majestät sind in der Notwendigkeit zu fechten; 
Sie können nicht kapitulieren; Sie müssen und wenn es mit körperlicher Gefahr 
ist, der Vergewaltigung entgegentreten.“ Je länger ich in diesem Sinne sprach, 
desto mehr belebte sich der König und fühlte sich in die Rolle des für Königtum 
und Vaterland kämpfenden Offiziers hinein. Er war äußeren und persönlichen 
Gefahren gegenüber von einer seltenen und ihm absolut natürlichen Furchtlosigkeit, 
auf dem Schlachtfelde wie Attentaten gegenüber; seine Haltung in jeder äußeren 
Gefahr hatte etwas Herzerhebendes und Begeisterndes. Der ideale Typus des 
preußischen Offiziers, der dem sicheren Tode im Dienste mit dem einfachen Worte 
„Zu Befehl“ selbstlos und furchtlos entgegengeht, der aber, wenn er auf eigene 
Verantwortung handeln soll, die Kritik der Vorgesetzten oder der Welt mehr als 
den Tod und dergestalt fürchtet, daß die Energie und die Richtigkeit seiner Ent— 
schließung durch die Furcht vor Verweis und Tadel beeinträchtigt wird, dieser 
Typus war in ihm im höchsten Grade ausgebildet. Er hatte sich bis dahin auf 
seiner Fahrt nur gefragt, ob er vor der überlegenen Kritik seiner Frau Gemahlin 
und vor der öffentlichen Meinung in Preußen mit dem Wege, den er mit mir 
einschlug, würde bestehen können. Demgegenüber war die Wirkung unserer Unter— 
redung in dem dunkeln Abteil, daß er die ihm nach der Situation zufallende 
Rolle mehr vom Standpunkte des Offiziers auffaßte. Er fühlte sich bei dem 
Porte-épée gefaßt und in der Lage eines Offiziers, der die Aufgabe hat, einen 
bestimmten Posten auf Tod und Leben zu behaupten, gleichviel, ob er darauf 
umkommt oder nicht. Damit war er auf einen seinem ganzen Gedankengange 
vertrauten Weg gestellt und fand in wenigen Minuten die Sicherheit wieder, 
um die er in Baden gebracht, und selbst seine Heiterkeit. Das Leben für König 
und Vaterland einzusetzen, war die Pflicht des preußischen Offiziers, um so mehr 
die des Königs, als des ersten Offiziers im Lande; sobald er seine Stellung unter 
dem Gesichtspunkte der Offiziersehre betrachtete, hatte sie für ihn ebensowenig 
Bedenkliches, wie für jeden normalen preußischen Offizier. Die instruktionsmäßige 
Verteidigung eines vielfach verlorenen Postens . Er fühlte sich ganz in der 
Aufgabe des ersten Offiziers der preußischen Monarchie, für den der Untergang 
im Dienste ein ehrenvoller Abschluß der für ihn gestellten Aufgabe ist. Der Be- 
weis der Richtigkeit meiner Beurteilung ergab sich daraus, daß der König, den 
ich in Jüterbogk matt, niedergeschlagen und entmutigt gefunden hatte, schon vor 
der Ankunft in Berlin in eine heitere, man kann sagen, fröhliche und kampf- 
lustige Stimmung geriet, die sich den empfangenden Ministern und Beamten 
gegenüber auf das unzweideutigste erkennbar machte. 
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