der Krone zu einem Schilde zu machen, durch welchen das Ministerium sich deckt.
Wir bedürfen dieser Deckung nicht; wir stehen fest auf dem Boden unseres guten
Rechtes. Ich weise diese Trennung nur deshalb zurück, weil durch sie die Tat—
sache verdeckt wird, daß Sie sich im Kampfe mit der Krone um die Herrschaft
dieses Landes befinden, und nicht im Kampfe mit dem Ministerium.
Sie finden die Verfassungsverletzung in specie bei Art. 99. Art. 99 lautet,
wenn ich mich der Worte erinnere: „Alle Einnahmen und Ausgaben des Staates
müssen für jedes Jahr im voraus veranschlagt und auf den Staatshaushalts-Etat
gebracht werden.“ Wenn darauf folgte: „Letzterer wird jährlich durch das Haus
der Abgeordneten festgestellt", dann hätten Sie in Ihren Beschwerden in der
Adresse vollkommen recht, dann wäre die Verfassung verletzt. Es folgt aber im
Text des Art. 99: „Letzterer, der Staatshaushalts-Etat, wird jährlich durch ein
Gesetz festgestellt.“ Wie nun ein Gesetz zustande kommt, sagt Art. 62 mit un-
widerleglicher Klarheit. Er sagt, daß zum Zustandekommen eines jeden Gesetzes,
also auch des Budgetgesetzes, die Übereinstimmung der Krone und der beiden
Kammern erforderlich ist. Daß das Herrenhaus berechtigt ist, ein von der zweiten
Kammer beschlossenes und ihm nicht konvenierendes Budget zu verwerfen, ist
außerdem noch in dem Artikel hervorgehoben.
Jedes dieser konkurrierenden Rechte ist in der Theorie unbegrenzt und das
eine so stark wie das andere. Wenn eine Vereinbarung zwischen den drei Ge-
walten nicht stattfindet, so fehlt es der Verfassung an jeglicher Bestimmung
darüber, welche von ihnen nachgeben müssen
Die Verfassung hält das Gleichgewicht der drei gesetzgebenden Gewalten in
allen Fragen, auch in der Budget-Gesetzgebung, durchaus fest; keine dieser Gewalten
kann die anderen zum Nachgeben zwingen; die Verfassung verweist daher auf den
Weg der Kompromisse zur Verständigung. Ein konstitutionell erfahrener Staats-
mann hat gesagt, daß das ganze Verfassungsleben jederzeit eine Reihe von Kom-
promissen ist.
Wird der Kompromiß dadurch vereitelt, daß eine der beteiligten Gewalten
ihre eigene Ansicht mit doktrinärem Absolutismus durchführen will, so wird die
Reihe der Kompromisse unterbrochen, und an ihre Stelle treten Konflikte, und
Konflikte, da das Staatsleben nicht still zu stehen vermag, werden zu Machtfragen.
Wer die Macht in Händen hat, geht dann in seinem Sinne vor, weil das Staats-
leben auch nicht einen Augenblick stillstehen kan. 1)
Daß hier eine Lücke in der Verfassung ist, ist gar keine neue Erfindung.
Ich habe selbst damals den Verhandlungen wegen der Revision der Verfassung
beigewohnt, und wir haben uns mehrere Tage in sehr eingehender Weise mit
dieser Möglichkeit beschäftigt, die jetzt nach 14 Jahren zum ersten Male zur
Wirklichkeit geworden ist. Daß es eine Unmöglichkeit sei, ist damals niemandem
eingefallen; man hat sich nur über die Vorkehrungsmaßregeln, die für einen
solchen Fall getroffen werden sollten, nicht einigen können.
Ich muß nach dem Gesagten die Behauptungen, daß wir verfassungswidrig
gehandelt haben, ja, daß wir die Verfassung verletzt hätten, auf das bestimmteste
#2) Da der gesamte Staatsbedarf vom Abgeordnetenhause verweigert worden war, so
hätten in strenger Auswirkung dieses Beschlusses alle staatlichen Ausgaben eingestellt
werden müssen. Kein Beamter hätte sein Gehalt bekommen dürfen. Man hätte das Heer
entlassen, alle Regierungs= und Gerichtskollegien auflösen müssen usw., mit anderen
Worten: der Staat wäre völlig aus seinen Fugen gewichen und zugrunde gegangen.