Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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und mit voller Überzeugung zurückweisen, und ich wiederhole, was ich in der 
Kommission sagte: „Wir, meine Herren, nehmen unseren Eid und das Gelöbnis 
auf die Verfassung ebenso ernsthaft wie Sie den Ihrigen. Lernen wir doch 
Überzeugungstreue an den Gegnern achten, und seien wir nicht so freigebig mit 
dem Vorwurfe des Verfassungsbruches, mit dem Vorwurfe des Eidbruches, welchen 
jener in sich schließt “ 
Was die Verfassung Ihnen an Rechten zubilligt, soll Ihnen unverkürzt zu— 
kommen; was Sie darüber hinaus verlangen, das werden wir ablehnen und Ihren 
Forderungen gegenüber die Rechte der Krone mit Ausdauer wahrnehmen. Es ist 
ein eigentümliches Zusammentreffen, daß die Beratung dieses Manifestes, welches 
unserem königlichen Herrn überreicht werden soll, gerade zusammenfällt mit dem 
heutigen Geburtstage des jüngsten mutmaßlichen Thronerben. In diesem Zu— 
sammentreffen, meine Herren, sehen wir eine verdoppelte Aufforderung, fest für 
die Rechte des Königtums, fest für die Rechte der Nachfolger Sr. Majestät ein- 
zustehen. Das preußische Königtum hat seine Mission noch nicht erfüllt; es ist 
noch nicht reif dazu, einen rein ornamentalen Schmuck Ihres Verfassungsgebäudes 
zu bilden, noch nicht reif, als ein toter Maschinenteil dem Mechanismus des 
parlamentarischen Regiments eingefügt zu werden. 
31. 
Die Ablehnung der vom Frankfurter Fürstenkongreß vor- 
geschlagenen Bundesreform. 
1863. 
Quelle: Bericht des Staatsministeriums an den König vom 15. Sep- 
tember 18631). 
Fundort: L. Hahn, Fürst Bismarck. Bd. 1. S. 149—154. 
. . Die ausgedehnten Befugnisse, welche in der Reformakte dem aus we- 
nigen und ungleichen Stimmen zusammengesetzten Direktorium?) mit und ohne 
Beirat des Bundesrates gegeben werden, die unvollkommene und den wirklichen 
Bedürfnissen nicht entsprechende Bildung der an Stelle einer Nationalversammlung 
vorgeschlagenen „Versammlung von Bundesabgeordneten“, welche durch ihren 
Ursprung auf die Vertretung von Partikularinteressen, nicht von deutschen Inter- 
essen hingewiesen ist, und die auf einen kleinen Kreis verhältnismäßig unter- 
geordneter Gegenstände beschränkte und dennoch vage und unbestimmte Befugnis 
auch dieser Versammlung — lassen jede Bürgschaft dafür vermissen, daß in der 
1) König Wilhelm hatte die Beteiligung an dem Fürstenkongreß bereits am 20. August 
endgültig mit der Begründung abgelehnt, daß ihm bei der Kürze der zwischen der Einladung 
und der ersten Sitzung liegenden Zeit keine Möglichkeit gegeben werde, die zu erörternden 
Abänderungen der Bundesverfassung eingehend mit seinen Räten zu prüfen, und er vor 
einer solchen Prüfung keine ihn bindenden Erklärungen gegen seine Bundesgenossen geben 
könne. Dieser Bericht enthält nun ein aus Bismarcks Feder stammendes Gutachten über 
den ohne Preußens Mitwirkung fertig gestellten Reformentwurf des Kongresses. 
2) Nach dem Reformentwurf sollte an der Spitze des Bundes ein aus fünf Mit- 
gliedern gebildetes Direktorium (beschlossen wurde ein sechsgliederiges) stehen, dem ein 
aus Vertretern der Einzelregierungen zusammengesetzter Bundesrat (etwa der engere Rat 
der bisherigen Bundesversammlung) und ein Parlament aus Delegierten der Einzelparla- 
mente zur Seite zu treten hätten.
	        
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