Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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lautem Jubel begrüßten (während Piefkel) im Marsche „Heil dir im Sieger- 
kranz“ usw. blies, ein ergreifender Moment). Plötzlich wurde das Artilleriefeuer 
im Zentrum schwächer und wurde Kavallerie verlangt, ein Zeichen, daß der Feind 
anfange zu weichen. Jetzt verließ ich meine Höhe, weil der Sieg anfing, sich durch 
den Flankenangriff der 2. Armee zu entscheiden, und ritt mit der Kavallerie vor. 
Hier stieß ich zuerst auf die im vollen Avancieren begriffene (Tambour 
battant) 2. Garde-Division und Teile des Füsilierregiments inmitten eben ge- 
nommener 12 Kanonen. Der Jubel, der ausbrach, als diese Truppen mich sahen, 
ist nicht zu beschreiben; die Offiziere stürzten sich auf meine Hände, um sie zu 
küssen, was ich diesmal gestatten mußte, und so ging es, allerdings im Kanonen- 
feuer, immer vorwärts und von einer Truppe zur anderen, und überall das nicht 
endenwollende Hurrarufen! Das sind Augenblicke, die man erlebt haben muß, 
um sie zu begreifen, sie zu verstehen! So traf ich auch noch die Truppen des 
I., VI. und V. Armeekorps, auch mein Infanterie-Regiment; vom VIII. Korps 
nur das 8. Jäger= und vom 7. nur das 17. Regiment, die übrigen waren zu 
weit schon entfernt in Verfolgung des Feindes. Jetzt brachen unsere Kavallerie- 
Regimenter vor; es kam zu einem Kavalleriegefecht vor meinen Augen, Wilhelm) 
an der Spitze seiner Brigade, 1. Garde-Dragoner-, Ziethen-Husaren-, 11. Ulanen- 
(Hohenlohesches) NRegiment, gegen österreichische Kürassiere, Ulanen, die total 
kulbutiert wurden, und das Gefechtsfeld, das ich gleich darauf beschritt, sah 
fürchterlich aus, von zerhauenen Osterreichern, tot, lebend! So avancierte dann 
wieder die Infanterie bis zum Talrande der Elbe, wo jenseits dieses Flusses noch 
sehr heftiges Granatfeuer erfolgte, in das ich auch geriet, aus dem mich Bismarck 
ernstlich entfernte. Ich ritt aber nun noch immer umher, um noch ungesehene 
Truppen zu begrüßen, wo ich Mutius, Württemberg und Bonins) auch antraf. 
Alle diese Wiedersehen waren unbeschreiblich!!I Steinmetzs), Herwarth fand ich 
nicht. Wie sah das Schlachtfeld aus! Wir zählten 35 Kanonen — es scheinen über 
50 genommen zu sein — mehrere Fahnen; alles lag voller Gewehre, Tornister, 
Patronentaschen; wir rechnen bis heute 12000 Gefangene: hier befinden sich 
50 gefangene Offiziere. — Aber nun den Revers der Medaille. Unser Verlust ist 
noch nicht ermittelt; er wird hoch sein. Daß General Hiller von der Gardes) 
geblieben ist, wirst Du schon wissen, ein großer Verlust! Anton Hohenzollerns) 
hat vier Gewehrkugeln im Bein! ich weiß nicht, wie es ihm heute geht! er soll 
enorm brav gewesen sein. Erckert ist schwer blessiert, ebenso Oberst Obernitz am 
Kopfe. Das 1. Garde-Regiment hat solche Verluste, daß aus 2 Bataillonen eins 
formiert ist!! In welcher Aufregung ich war, kannst Du denken! Und zwar der 
gemischten Art!! Freude und Wehmut. Endlich begegnete ich noch spät 8 Uhr 
Fritz mit seinem Stabe! Welch ein Moment nach allem Erlebten und am Abend 
dieses Tages! Ich übergab ihm selbst den Orden pour le mérite, so daß ihm die 
Tränen herabstürzten; denn er hatte mein Telegramm mit der Verleihung nicht 
erhalten! Also völlige Überraschung! — Einstens alles mündlich. Erst um 11 Uhr 
war ich hier, ohne alles, so daß ich auf einem Sofa kampierte. 
1) Ein damals weit bekannter Militärkapellmeister. 
:) Prinz Wilhelm von Mecklenburg, ein Neffe des Königs. 
2) Die unter dem Kronprinzen stehenden kommandierenden Generale des VI., Garde-, 
I. und V. Korps. « 
«)GeneralHillervonGärtingenwarBefehlshaberdererstenGardedivision. 
5) Prinz Anton von Hohenzollern starb an den Wunden.
	        
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