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Die Entscheidung für den Frieden.
26. Juli 1866.
Quelle: Kriegsgeschichtliche Abteilung des Großen Generalstabes a. a. O.
S. 715—717.
Es war eine ernste und wichtige Entscheidung, welche an Se. Mazjestät den
König herantrat, ähnlich der über den Beginn des Krieges.
Sollte dieser fortgesetzt werden in der Hoffnung auf noch größere Resultate?
Die Armee stand vor Wien. Preßburg war schon nahezu in der Hand der preu-
Khischen Streitkräfte gewesen. Auf den Ausfall einer zweiten Schlacht, wenn sie
erforderlich werden sollte, blickte man ohne Besorgnis, und möglich war der
Einzug in Wien ohne allzu große Opfer.
Die militärischen Bedingungen waren also für den Augenblick günstig und
von diesem Standpunkt aus die Wünsche natürlich, den Sieg bis an die äußerste
Grenze zu verfolgen und der bewährten Kraft des preußischen Heeres volle Ent-
faltung zu gestatten. Ein Ziel, welches der erste Napoleon sich nie versagt hatte
— die Hauptstadt des Gegners — lag in verlockender Nähe; ihre Türme waren
den Blicken der Vorposten sichtbar.
Andererseits aber blieb wohl zu erwägen, daß Osterreich, selbst nach dem
Verluste von Wien, nicht genötigt war, Frieden zu schließen. Sein Heer konnte
nach Ungarn ausweichen und die Komplikationen europäischer Politik abwarten.
Kam auf der vom Kaiser Napoleon vorgeschlagenen und dem Wesen nach
öffentlich bekannten Basis ein Friede nicht zustande, so verletzte dies die Inter-
essen nicht minder wie die Würde Frankreichs.
Ein großes Ziel war erreicht, sollte man, um ein größeres zu gewinnen,
neue Opfer und äußerste Anstrengungen dem preußischen Volke auferlegen, das
Errungene nochmals in Frage stellen? Eine weise Politik bemißt ihre Ziele nicht
nach dem Begehrenswerten, sondern nach dem Notwendigen. Deutschlands natio-
nale Entwickelung unter Preußens Führung war durch den dargebotenen Frieden
gesichert, weitergehende Projekte der Eroberung, wie man sie Preußen zuzu-
schreiben gern geneigt ist, lagen nicht in dem Willen seiner Regierung.
Monarch und Volk durften sich sagen, daß sie der Pflicht Genüge getan,
welche ein hoher Beruf dem Staate wie dem einzelnen auferlegt; sie mußten
anerkennen, daß ein weiteres zwingendes Bedürfnis für die Sicherheit und die
Entfaltung des nationalen Lebens Preußens und Deutschlands nicht vorlag.
Was Preußen jetzt zu gewinnen im Begriffe stand an territorialem und an
Machtzuwachs, das durfte es hoffen, bald und vollständig zu einem gemeinsamen
Organismus mit dem bisherigen Bestande des Staates verwachsen zu sehen.
Die von Osterreich dargebotenen Bedingungen schlossen ferner die Möglichkeit
künftiger Wiederherstellung eines freundschaftlichen Verhältnisses zu den früheren
Bundesgenossen nicht aus. Weder der Ehre, noch der Macht Osterreichs war eine
Wunde geschlagen, welche eine unheilbare Feindschaft zwischen beiden Staaten
notwendig im Gefolge hatte! Wenn man mehr forderte, wenn eine glückliche
Fortsetzung des Krieges mehr zu erzwingen erlaubte, so mußte ein Stachel zurück-
bleiben, den keine Zeit entfernt hätte. Den Bruch zwischen Preußen und OÖster-
reich zu verewigen, konnte nicht im Interesse Preußens und Deutschlands liegen.