— 77 —
fürstentums Hessen und des Herzogtums Nassau, sowie die freie Stadt Frankfurt
haben sich durch ihre Teilnahme an dem feindlichen Verhalten des ehemaligen
Bundestages in offenen Kriegszustand mit Preußen versetzt. Sie haben sowohl
die Neutralität, als das von Preußen unter dem Versprechen der Garantie ihres
Territorial-Bestandes ihnen wiederholt und noch in letzter Stunde angebotene
Bündnis abgelehnt, haben an dem Kriege Osterreichs mit Preußen tätigen Anteil
genommen und die Entscheidung des Krieges über sich und ihre Länder angerufen.
Diese Entscheidung ist nach Gottes Ratschluß gegen sie ausgefallen. Die
politische Notwendigkeit zwingt uns, ihnen die Regierungsgewalt, deren sie durch
das siegreiche Vordringen unserer Heere entkleidet sind, nicht wieder zu übertragen.
Die genannten Länder würden, falls sie ihre Selbständigkeit bewahrten, ver-
möge ihrer geographischen Lage bei einer feindseligen oder auch nur zweifel-
haften?' Stellung ihrer Regierungen der preußischen Politik und militärischen
Aktion Schwierigkeiten und Hemmnisse bereiten können, welche weit über das
Maß ihrer tatsächlichen Macht und Bedeutung hinausgingen. Nicht in dem Ver-
langen nach Ländererwerb, sondern in der Pflicht, unsere ererbten Staaten vor
wiederkehrender Gefahr zu schützen, der nationalen Neugestaltung Deutschlands
eine breitere und festere Grundlage zu geben, liegt für uns die Nötigung, das
Königreich Hannover, das Kurfürstentum Hessen, das Herzogtum Nassau und die
freie Stadt Frankfurt auf immer mit unserer Monarchie zu vereinigen.
Wohl wissen wir, daß nur ein Teil der Bevölkerung jener Staaten mit uns
die Überzeugung von dieser Notwendigkeit teilt. Wir achten und ehren die Ge-
fühle der Treue und Anhänglichkeit, welche die Bewohner derselben an ihre bis-
herigen Fürstenhäuser und an ihre selbständigen politischen Einrichtungen knüpfen.
Allein wir vertrauen, daß die lebendige Beteiligung an der fortschreitenden Ent-
wicklung des nationalen Gemeinwesens in Verbindung mit einer schonenden Be-
handlung berechtigter Eigentümlichkeiten den unvermeidlichen Übergang in die
neue, größere Gemeinschaft erleichtern werde.
Die beiden Häuser des Landtages fordern wir auf, die zur beakbsichtigten
Vereinigung erforderliche verfassungsmäßige Einwilligung zu erteilen, und lassen
ihnen zu diesem Behufe den beikommenden Gesetzentwurf zugehen.
Gegeben Berlin den 16. August 1866. Wilhelm.
2. Quelle: Proklamation an die Einwohner des vormaligen Königreichs
Hannover vom 3. Oktober 1866.1)
Fundort: Aegidi und Klauhold a. a. O. Bd. 11. Nr. 2404.
Durch das Patent, welches ich heute vollzogen habe, vereinige ich Euch, Ein-
wohner des hannoverschen Landes ..,, mit meinen Untertanen, Euren Nachbarn
und deutschen Brüdern.
Durch die Entscheidung des Krieges und durch die Neugestaltung des gemein-
samen deutschen Vaterlandes nunmehr von einem Fürstenhause getrennt, dem Ihr
mit treuer Ergebenheit angehangen, tretet ihr jetzt in den Verband des Nachbar-
landes, dessen Bevölkerung Euch durch Stammesgemeinschaft, durch Sprache und
Sitte verwandt und durch Gemeinsamkeit der Interessen befreundet ist.
14).Die Proklamationen an die Bewohner von Kurhessen, Nassau und Frankfurt am
Main wurden gleichfalls unter dem 3. Oktober erlassen. Sie stimmen mit der hierher
gesetzten fast wörtlich überein.