Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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Neues, Außerordentliches im Anzuge sein. Die Soldaten sprangen, wie von 
elektrischem Feuer entzündet, zu allen Häusern und Höfen hinaus, stellten sich in 
Reih und Glied und bildeten auf beiden Seiten der Straße eine undurchdringliche 
Mauer. Ich stand auf der Haustreppe. „Was ist denn?“ — „Der Kronprinz 
kommt! Der Kronprinz kommt!“ — Ich kann nicht sagen, wie diese Nachricht 
meine Seele durchzuckte ich rief meinen Leuten zu: „Schnell heraus, der Kron- 
prinz von Preußen kommt!“ Und das Getöse dringt immer näher, und das 
Triumphgeschrei wird immer größer .. Jetzt sind sie im Unterdorf horch, wie 
sie jubeln! — gebt acht! jetzt biegen sie um die brennende Kirche.. Die Trommeln 
wirbeln, die Siegeslieder brausen — eine ungeheuere Begeisterung flammt durch 
die Reihen — alle Häupter sind entblößt, die Mützen fliegen hoch empor, und aus 
aller Mund tönt ein tausendfaches donnerndes Hurra! Hoch! Hurra! Wir stehen 
da, wie verzaubert .. Wahrhaftig, da zieht er, umgeben von seinen Generalen 
(Kirchbach trägt einen Kranz von Eichenlaub), an unseren Blicken vorüber. 
Wie sein Angesicht vor Freude strahlt, und wie er so wohlwollend die 
jubelnden Scharen begrüßt .. Kein Wunder Sie haben ihr Blut vergossen, 
und ihr Hurrarufen läutet dem geschlagenen Cäsar zu Grabe Welch groß- 
artiges, majestätisches Schauspiel! Was doch in diesem Augenblick sein fürstliches 
Herz empfunden haben mag? Durch Flammen und Ruinen über die blutige 
Walstatt.. Ob durch die Siegesfreude auch eine Ahnung zieht von dem tausend- 
fachen Weh, das der Krieg über die Völker wälzt? Und ob es ihm nicht lieber 
wäre, einst wie ein rechter Salomo Deutschland in Frieden zu regieren, als, mit 
Siegespalmen geschmückt, auf schäumendem Schlachtroß über blutgetränkte Gefilde 
zu ziehen? .. Wir glauben's gerne; sein Blick ist milde; seine ganze Erscheinung 
erweckt Vertrauen; wir vernehmen es auch aus den wenigen Worten, die er zu 
den verzagten Einwohnern spricht: „Die Leute sollen sich nicht fürchten.“ Auch 
sieht man's den immer wieder Hurra rufenden Kriegern an, sie haben ihn lieb; 
denn er ist ihres Vaterlands Hoffnung. Und ihm sieht man's auch an; er hat das 
Bewußtsein: „Ich bin das Haupt; ich schlage, wenn sie streiten“ Gott weiß, 
Item Hebel sagt: „Die goldnen Kronen drücken sehr schwer; 's isch net als 
wenn's a Strohhut wär .“ — Der Siegeszug bewegt sich vorwärts in der Richtung 
nach Reichshofen. Im Oberdorf aber schwenkt der hohe Feldherr rechts ab in die 
Schindergasse; dort liegt in Reisehenners Stube der tapfere General Raouluy, 
blutend aus vielen Wunden, mit zerbrochenem Schwert und brechendem Herzen. 
Der deutsche Sieger tritt in die Bauernhütte ein, schaut freundlich in die fieber- 
glühenden Augen, drückt teilnahmsvoll die todesmatte Hand — ein Wort huld- 
voller Anerkennung, eine Träne hochherzigen Mitleids vergelten den erbitterten 
Widerstand, und noch einmal, unter gewaltigen Siegesmärschen und unter end- 
losem Freudengeschrei wogt der Triumphzug vorüber. Wir schauen zu; unser 
Herz möchte in Stücke zerspringen überall Schrecken, Brand und Verwüstung, 
und hier vor unseren Augen in stolzer Ruhmespracht der fremde Eroberer, in 
unbändiger Begeisterung die feindlichen Scharen. O Krieg, wie schmerzlich, wie 
tränenreich sind deine Folgen! Jetzt rauschen die Feierklänge weiter hinab ins 
Chronik ist ein Volksbuch ersten Ranges. Alles das, was das Volksgemüt damals in tiefster 
Bewegung erlebte, ist mit einer Wahrheit und Unmittelbarkeit zur Anschauung gebracht, 
die zum Mit= und Nacherleben auffordert und befähigt. 
1) Es war der tödlich verwundete französische Divisionsgeneral Raoul.
	        
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