Full text: Der Weltkrieg. II. Band. (2)

Entwicklung des Krieges 
  
Tagen lag der schwere Schatten des Bruchs mit Amerika 
über unserm Schicksal. 
Den Abend des 22. Mai, den Vorabend des Pfingstfestes, 
verbrachte ich bis spät in die Nacht hinein beim Kanzler. 
Wir waren allein auf dem großen Gartenbalkon. Eine 
wundervolle Mondnacht lag über dem Park. Der Kanzler 
schloß sich auf und sprach über seine Sorgen. Vom Fürsten 
Bülow waren Telegramme aus Rom gekommen; der Fürst 
hatte noch eine letzte, ganz schwache Hoffnung, aber das 
Gefühl sagte uns, daß der italienische Krieg unabwendbar 
sei. Wir konnten jetzt hoffen, daB es gelingen werde, den 
italienischen Angriff am Isonzo und an der Alpenfront auf- 
zuhalten. Aber die Rückwirkung auf den Balkan? Wie 
lange würde in Rumänien das Schwanken, das seit unserer 
Gorlice-Offensive bemerkbar war, vorhalten? Wie lange 
noch würden die Türken ohne ausgiebige Munitionszufuhr 
die Dardanellen halten können? Welche Mittel gab es, 
Rumänien unter Druck zu halten und die Verbindung mit 
der Türkei herzustellen? Unser Angriff in Galizien hatte 
den San und damit einen gewissen Abschluß erreicht. 
Weiter östlich hatten die österreichisch-ungarischen Trup- 
pen überall die Karpathenausgänge erkämpft und standen 
in der Bukowina, am Pruth und an der rumänischen Grenze. 
Die Frage lag nahe, ob jetzt nicht die Möglichkeit gegeben 
sei,einen Teilunserer OÖstarmeen heranzuziehen, um die Lage 
aufdem Balkan in unserm Sinne zuentscheiden. Der Kanzler 
sagte mir, daß General Falkenhayn eine Erneuerung der 
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