Hinter den Kulissen. 175
geben. In diesem Falle scheint es uns so, als ob nicht
Rodd den Minister San Giuliano abermals miß-
verstanden habe, sondern daß der italienische Mini-
sterrat den von HOeutschland durchweg für
bindend erachteten Erklärungen Wiens mit
unangebrachtem und von San Giuliano nicht
geteiltem „Balkan“"-Mißtrauen begegnet sei.
Osterreich- Ungarn hatte lediglich eine endgültige Siche-
rung seiner Südprovinzen vor den fortgesetzten und
sogar vor Meuchelmord nicht zurückschreckenden groß-
serbischen Wühlereien im Auge; und es wird immer-
dar eine unverantwortliche Handlungsweise bleiben,
daß Rußland ohne Mandat und Berechtigung ihm
dabei in den Arm gefallen ist.
Oaß sich Italien in „keiner“ (d. h. nicht in zu-
stimmender) Weise zur serbischen Note geäußert hat,
stimmt; ob es ohne amtlichen Auftrag der italienische
Botschafter Herzog von Avarna in Wien getan hat,
läßt sich nicht einwandfrei feststellen. Zedenfalls hat
die Italienische Regierung, was nicht allgemein be-
achtet worden ist, am 27. Juli die sog. „kleine"“ Neu-
tralitätserklärung abgegeben, und zwar bei allen
Regierungen. Sie bezog sich selbstverständlich nur auf
den damals bereits auegebrochenen Krieg zwischen
Osterreich-Ungarn und Serbien und nur auf die
Voraussetzung, daß dieser Krieg zwischen den beiden
Mächten lokalisiert bleibe. Davon, daß Italien am
27. Juli eine Neutralitätserklärung ausgesprochen habe,
die sich auf den damals noch gar nicht ausgebrochenen
Weltkonflikt beziehen sollte, wie Botschafter Iswolski
Ende September gerne glauben machen wollte, um
eine Entzweiung zwischen den Dreibundmitgliedern
berbeizuführen, davon ist selbstverständlich keine Rede.
Mit der Aeutralität gegenüber dem Weltkrieg hat sich
Selmote, Der Welcrrieg. 12