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von ungefähr drei Jahrhunderten, so müssen wir wohl annehmen,
werden in der Hauptsache die Gründungen, die fast ins Zahllose
gehenden Siedelungen abgeschlossen gewesen sein, weil späterhin die
beständigen Kriege mit den Deutschen solcher friedlichen Thätigkeit
entschiedenen Eintrag thun mußten und wegen ihrer Schonungs-
losigkeit eine beträchtliche Verminderung der Volkszahl herbeiführten.
Wie in andern slavischen Ländern waren die einzelnen Ort-
schaften zunächst vornehmlich Geschlechtsdörfer, sie umfaßten eine
nicht eben große Zahl von blutsverwandten Familien mit gemein-
schaftlichem Hab und Gut unter der patriarchalischen Leitung eines
Geschlechtsältesten, dessen Name zugleich zur Bezeichnung des Dorfes
verwendet wurde. Von einem Menschenalter zum andern zweigten
sich von solchen Hauptsitzen neue Sippen ab und gründeten zumeist
in der Nähe neue Dorsschaften, von denen aus nach gewisser Zeit
die gleiche Ausbreitung sich vollzog. Von einem einzelnen Guts-
herrn gegründete Niederlassungen sind die sogenannten Besitzdörfer,
welche durch die adjektivische Form von Personennamen als solche
sich kennzeichnen und etwas späterer Zeit angehören mögen. Dazu
gesellen sich noch Abbauorte, Einzelhöfe und Vorwerke, welche von
einem Geschlechtssitze oder Besitzdorfe aus angelegt wurden. Alle
solche von gemeinsamem Mittelpunkte ausgegangenen Siedelungen
blieben in einem engen Zusammenhange mit dem Mutterdorfe und
bildeten eine zupat), einen Geschlechtsbezirk (tribus), oder Zupanjja,
Supanie, unter der Leitung eines Zupan oder Bezirksmeisters. Natur-
gemäß schlossen sich die Supanien eines größeren durch natürliche
geographische Grenzen abgeschiedenen Gebietes zu einem Stamme
zusammen, an dessen Spitze ein erwähltes Stammesoberhaupt stand.
Für die älteste Zeit haben wir vielleicht nur eine Zweiteilung unseres
Landes, oder doch nur zwei besonders hervorragende Stämme in
demselben anzunehmen, rechts von der Elbe die Milzener, links
davon die Daleminzier; denn daß die letzteren zu Karls des Großen
Zeit nicht bloß an der Elbe, sondern noch weiter westlich auch an
der Elster gesessen haben, wird wohl mit Recht von Flathe) daraus
geschlossen, daß im Jahre 805 ein Heer des Kaisers durch Hwereno-
1) Aussprache der slavischen Buchstaben: à — französisches nasaliertes on;
= franz. nasaliertes in; c stets = z; 6, cz -tsTch; E= tj, zi; 6, 6 = 6; alt-
slovenisches b —ch; 1 ungefähr —= w; k — sanftes rsch, franz. —rge; s — ß;
#*5. 822 = sch; z = K; 2, 2, 14 — sanftes sch, franz. j; 1 und ü — ganz kurzes i
und u oder stumm.
2) Siehe Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen I,
4. Heft, S. 11. «