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dem Hochlande weitab von den Thalrändern. So zeigt sich denn
ein ganz auffallender Unterschied in der Besiedelung der nördlichen
und der südlichen Hälfte unseres Landes; jene, das Flachland und
mittlere Hügelland mit seinem guten Ackerboden, wimmelt geradezu
von sorbischen Dorfschaften, diese, die zum Erzgebirge und Elb—
sandsteingebirge aufsteigende und vor alters mit fast ununter—
brochenem Urwalde bestandene Landschaft, enthält nur vereinzelte,
an den Wasseradern erbaute Slavendörfer; und wo im Flachlande
weiter ausgedehnter Wald sich erhebt, auch da sind die sorbischen
Dorfschaften spärlicher. So standen denn also nach der Besitznahme
des Landes durch die Deutschen noch außerordentlich weite Strecken
dem Anbau zur Verfügung; und es ist wahrlich ein erhebendes
Schauspiel, wenn man sich vergegenwärtigt, wie namentlich seit dem
11. und 12. Jahrhundert, während überall in der Ferne lautes
Kriegsgetöse erschallte, die freien deutschen Bauern verschiedener
Stämme, von Grafen, Markgrafen und Bischöfen:) berufen, in unser
Land einwandern und um die Wette sich mühend viele Hunderte
von neuen Dorfschaften meistens in langer Zeile an den Wald-
bächen entlang gründen und dem Walde unter härtester Arbeit, mit
Wegschlagen, Wegbrennen, Roden und Urbarmachen, ganz bedeutende
Strecken zum Ackerbau abgewinnen. Zu solcher mühevollen Hinter-
wäldlerarbeit, sowie zur Eindeichung von Sümpfen und Morästen
zogen Sachsen herbei, Thüringer, Franken, Schwaben, Bayern,
Fläminger und Holländer, Friesen und Hessen und gründeten teils und
zumeist neubenannte Ortschaften, gewöhnlich nach dem Namen des
Unternehmers bezeichnet, teils ergriffen sie von entvölkerten Dörfern
Besitz oder erbauten in der Nähe wendischer Dörfer eigene mit dem
gleichen Namen, aber mit dem Zusatze „deutsch“ oder „groß"“,
während die alten Dörfer mit „wendisch“ oder „klein“, auch „wenig“
davon unterschieden wurden, die Gründung aber von Städten auf
wendischer Dorfflur bei dem Namen des Wendendorfes den Zusatz
„alt“ herbeiführte.
Es ist begreiflich, daß diesen durch freien Vertrag angesiedelten
deutschen Kolonisten von vorn herein eine freiere Stellung und
besondere Vergünstigungen gewährleistet wurden. Sie standen unter
eigenem, flämischen, fränkischen oder sächsischen Rechte, in geringer
Sache entschied ihr Bauermeister oder Schultheiß (incolarum ma-
gister, duem scultetum appellant, 1154, CS. II, 1, Seite 53),
1) So von Graf Wiprecht von Groitzsch (k 1124), Bischof Gerung von
Meißen (7 1170) u. a.