Full text: Die slawischen Siedelungen im Königreich Sachsen mit Erklärung ihrer Namen.

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germanisierten Namen, so unterliegen doch auch die im jetzigen 
wendischen Sprachgebiete befindlichen der aufgestellten Forderung, 
wennschon zugegeben werden muß, daß in einer für den Forscher 
erfreulichen Weise die Wenden den Namen gegenüber sich konservativ 
verhalten haben; aber nicht in jedem Falle, auch sie haben ihre 
Volksetymologie zu üben nicht unterlassen. 
2. Andererseits stellt sich die Thatsache heraus, daß vornehm- 
lich die Kanzlei= und Schriftsprache es gewesen ist, welche viele 
Namensformen verderbt hat, daß hingegen im Volksmunde, welcher 
so vieles Alte fortleben läßt, gar nicht selten die der ursprüng- 
lichen näher kommende Form sich erhalten hat. Sonach wird auch 
den volkstümlichen Namensformen Beachtung zu schenken sein. 
3. Eine sorgfältige Berücksichtigung erheischen ferner bei der 
Deutung eines Lokalnamens die natürlichen Verhältnisse 
des Ortes und dessen ganze nächste Umgebung. Weil die 
Namengeber diese Verhältnisse und Zustände bei der Benennung 
oft maßgebend sein ließen, so muß auch die Erklärung hierauf Rück- 
sicht nehmen, und eine scheinbar recht unbedeutende Angabe auf 
der Karte kann oft für die Erklärung bedeutend werden. Vielfach 
wird aus der Nachbarschaft Licht auf das Untersuchungsobjekt ge- 
worfen, sei es daß ein entsprechender oder sinnverwandter deutscher 
Name, sei es daß der Gegensatz in der Nähe sich findet, ein Um- 
stand, der bisher viel zu sehr außer acht gelassen worden ist. 
4. Wo die urkundlichen Formen entweder gänzlich mangeln 
oder zur Erklärung nicht ausreichen, wo auch die natürlichen Ver- 
hältnisse eines Ortes zu wenig ausdrucksvoll sind, als daß sie einen 
Schluß auf die Bedeutung erlaubten, da tritt die Analogie be- 
stimmend ein. Wenn die Namen a und c in der Form einander 
auffällig gleichen, wird oft von dem sicheren Etymon des ersten, b, 
ein Schluß auf 1 gestattet sein, oder a:b= : F. 
5. Die gewissenhafte Erforschung der Namen ergiebt, daß diese 
bei ihrem Ubertritt in die deutsche Form und ihrer Weiterent- 
wickelung durchaus nicht völliger Willkür unterworfen gewesen sind, 
daß vielmehr der Wandel der Vokale und Konsonanten sich mit 
einer leidlichen Regelmäßigkeit und im Anschluß an die Lautlehre 
des Deutschen vollzogen hat, sodaß gewisse mehr oder minder feste 
Lautgesetze sich aufstellen lassen, welchen Rechnung getragen 
werden muß. 
6. Da die Ortsnamen wie die Sprache überhaupt ein Volk überall- 
hin treu begleiten, und wohin dieses auch den Fuß setzt und sich an-
	        
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