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siedelt, in denselben Formen sich festsetzen, so sind die gleichen
slavischen Lokalnamen an der Ostseeküste wie in Griechenland, in
Sachsen und Thüringen wie in Böhmen, Mähren, Rußland u. s. w.
anzutreffen. Weil sie aber naturgemäß in den noch heute slavischen
Ländern sich reiner und unverfälschter, ja sogar in der Urform
erhalten haben, so ist es geboten, zur Aufhellung unserer mehr
verdunkelten Ortsbenennungen jene sorgfältigst zu benutzen. Die
grundlegende Sammlung und treffliche, freilich mit verhältnismäßig
geringen Schwierigkeiten verbundene Deutung, welche diese dem
jetzigen Slavengebiet angehörigen Namen durch Franz
Miklosich erfahren haben, bildet ein Haupthilfsmittel für die Rück—
führung unserer heimatlichen, germanisierten Namen auf ihren Ur—
sprung. Dazu vermag aber auch nicht wenig die Heranziehung der
Namen aus den ehemals slavischen Ländern Preußen, Anhalt und
Mecklenburg beizutragen, da hier, anders als in Sachsen, wo die
durch allerlei ungünstige Verhältnisse und Ereignisse geschmälerten
Urkundenschätze eine nicht durchaus befriedigende Ausbeute liefern,
vielfach weit ältere und umfassendere urkundliche Belege die Deutung
wesentlich begünstigen und erleichtern.
7. Eine Haupteigentümlichkeit der slavischen Namen ist der
außerordentliche Reichtum an Endungen. Diese Suffixe sind so
mannigfaltig und so wesentlich, daß sie auf die Bedeutung jener
ganz besonders bestimmend wirken, und daß, obschon sie oft sehr
verwittert und verwischt sind, da aber oft erst nach ihrer richtigen
Erkennung das rechte Stammwort hervortritt, sie eine besondere,
genaue Rücksichtnahme verlangen.
Wird man diesen Forderungen gerecht, so darf man füglich die
Erwartung hegen, daß zutreffende, richtige Deutungen erzielt werden;
so wird bei allen Schwierigkeiten es wohl gelingen, das starre, tote
Chaos der fremdartigen Namen zu neuem, frischem Leben und klarem
Reden zu erwecken und durch sie ungeschriebene Geschichten des
heimatlichen Bodens kennen zu lernen. Wenn aber so durch die
möglichst genaue Wiederherstellung der alten Namensformen das
Bild der ehemaligen Wirklichkeit getreu oder wenigstens annähernd
treu erneuert wird, so verfolgt hiermit schließlich unsere Arbeit
dasselbe schöne Ziel, welches mit der Ergründung der reinen Wahr-
beit und Thatsächlichkeit die Geschichtswissenschaft überhaupt sich
gesteckt hat.