Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

Rechtsfähigkeit 
der Fremden. 
Gleich- 
86 RUDOLPH SOHM: Bürgerliches Recht. 
Rechtsverhältnisse (Familienrecht und Erbrecht). Das Vermögensrecht (zweites 
und drittes Buch) bedeutet die Eigentumsordnung, das Personenrecht 
(viertes und fünftes Buch) die Familienordnung der Gegenwart. 
A. Allgemeine Lehren. 
I. Die natürliche Person. Die erste Voraussetzung für das Bestehen 
von Privatrechten ist das Dasein eines rechtsfähigen Subjekts (einer Person). 
Es gibt zwei Arten von Personen: natürliche und juristische Personen. 
Die natürliche Person ist der Mensch. Es gilt die gleiche private Rechts- 
fähigkeit aller Menschen. 
Der Fremde (dem Deutschen Reich nicht angehörige) ist von den bürger- 
lichen Rechten des öffentlichen Rechts (z. B. vom Wahlrecht zum Reichstage) 
ausgeschlossen. Das öffentliche Recht ist noch heute bürgerliches Recht (ius 
civile) im ursprünglichen Sinne des Worts, d.h. grundsätzlich nur zugunsten 
des Bürgers (des Staatsangehörigen) geltendes Recht. Das Privatrecht aber 
hat längst aufgehört, bürgerliches Recht in diesem alten Sinne zu sein. Es 
öffnet seine Tore weit für jedermann. Der Verkehr macht keinen Unterschied 
unter den Personen. Er nimmt das Geld, von wem es auch sei (non olet). So- 
bald das Privatrecht geldwirtschaftliches Verkehrsrecht wird, muß es zu ge- 
meinem Menschenrecht (ius gentium) sich entwickeln. Das bürgerliche Recht 
im neuzeitlichen Sinne hört notwendig auf, bürgerliches Recht im alten Sinne 
zu sein. Das seit dem 16. Jahrhundert bei uns sich durchsetzende geldwirt- 
schaftliche Privatrecht befreite sich vom öffentlichen Recht. Die privatrecht- 
liche Persönlichkeit war nicht mehr von dem Besitz der öffentlichen Bürger- 
rechte abhängig. Der Fremde ward für den Verkehr dem Einheimischen im 
Grundsatz gleichgestellt. 
Was dem Fremden zugute kam, das nützte auch der Frau. Im öffent- 
der ne lichen Recht ist die Frau naturgemäß hinter dem Manne zurückgesetzt. Sie 
vermag die Schwere der öffentlichen Pflichten, insbesondere die Wehrpflicht 
nicht zu tragen. Sie ist vom Heere und damit von der vollberechtigten Bürger- 
schaft ausgeschlossen. Das alte Recht führt diesen Satz rücksichtslos durch. 
Nur der Wehrfähige besitzt nach altem Recht die vollen Bürgerrechte. Wer 
nicht dient, der darbt der vollen Freiheit. Der Wehrunfähige ist unmündig. 
Dieser Satz geht durch das ganze Mittelalter. Die Frau ist dienstunfähig und 
war darum nach altem deutschem (allerdings früh abgeschwächtem) Recht, 
wenngleich dem Volk und Staate angehörig, doch unmündig wie das wehr- 
unfähige Kind. Die Frau stand unter Geschlechtsvormundschaft ohne Rück- 
sicht auf ihr Alter. In Norddeutschland haben sich Nachwirkungen der Ge- 
schlechtsvormundschaft ortsrechtlich bis in das 19. Jahrhundert erhalten. Das 
geldwirtschaftliche Privatrecht mußte aber notwendig, wie für den Fremden, 
so auch für die Frau die Wirkungen der Heerverfassung (des öffentlichen Rechts) 
auf das Privatrecht beseitigen. Das im 16. Jahrhundert aufgenommene ge- 
meine römische Pandektenrecht brachte bereits den Grundsatz der privat- 
rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau gemeinrechtlich bei uns zur
	        
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