System des bürgerlichen Rechts. A. Allgemeine Lehren. 93
Sie haben einen gesetzlichen Vertreter (ihren Vater, unter Umständen
die Mutter, bzw. einen Vormund), der Macht über ihre Angelegenheiten hat.
Der gesetzliche Vertreter entscheidet über die Verhältnisse des Unmündigen.
Er schließt Rechtsgeschäfte ab mit Wirkung für den Unmündigen.
Dem gesetzlichen Vertreter des Unmündigen steht der gewillkürte (bevoll-
. mächtigte) Vertreter des Mündigen zur Seite. Auch der Bevollmächtigte schließt
Rechtsgeschäfte ab im Namen und mit Wirkung für den Vertretenen, seinen
Vollmachtgeber.
Es gilt der Grundsatz der freien und der unmittelbaren Stellvertretung.
Die Freiheit der Vertretung bedeutet, daß grundsätzlich für alle Rechts-
geschäfte, soweit nicht ausdrücklich das Gegenteil bestimmt ist, Stellvertretung
zulässig ist. Unmittelbar ist die Stellvertretung, insofern das vom Vertreter
im Namen des Vertretenen abgeschlossene Rechtsgeschäft keine Wirkung für
den Vertreter, sondern ausschließlich Wirkung für den Vertretenen hervor-
bringt: das Kaufgeschäft, das im Laden mit dem Angestellten des Kauf-
manns abgeschlossen wird, berechtigt und verpflichtet nicht den Angestellten
(den Vertreter), sondern lediglich den Kaufmann (den Vertretenen), als wenn
der Vertretene selbst das Rechtsgeschäft geschlossen hätte. Beide Rechtssätze,
sowohl der von der Freiheit wie der von der Unmittelbarkeit der Stellvertretung,
sind dem modernen Recht eigentümlich. Das römische und ebenso das ältere
deutsche Recht lehnte die Möglichkeit der Stellvertretung ab. Das Rechts-
geschäft konnte nicht in fremdem Namen, sondern nur zu eigenen Lasten und
Gunsten geschlossen werden. Bei den Römern machte die Sklaverei die Ent-
wickelung des Rechts von der Stellvertretung unnötig. Alles, was der Sklave
erwarb, erwarb er mit Rechtsnotwendigkeit für seinen Herrn. Im deutschen
Mittelalter ließ die Unentwickeltheit des Verkehrs das Bedürfnis nach Aus-
bildung des Rechts von der Stellvertretung nicht aufkommen. Die volle Ent-
faltung des Stellvertretungsrechts in der Gegenwart bringt zugleich den Grund-
satz der freien Arbeit und die Macht des Verkehrswesens unserer neuzeitlichen
Kultur zum Ausdruck: das Geschäftsleben fordert für die Privatperson die
Möglichkeit, sich durch Stellvertretung beliebig zu vervielfältigen. |
Es gibt vielerlei Arten von Rechtsgeschäften: Rechtsgeschäfte des Per-
sonenrechts, Rechtsgeschäfte des Vermögensrechts. Ein personenrechtliches
Rechtsgeschäft ist z.B. die Eheschließung, die Annahme an Kindes Statt.
Die vermögensrechtlichen Rechtsgeschäfte beherrschen den Verkehr. Sie
sind entweder Verfügungsgeschäfte oder Verpflichtungsgeschäfte. Durch das
Verpflichtungsgeschäft wird eine Schuldverbindlichkeit begründet, die im-
stande ist, eine künftige Vermögensänderung (z. B. Eigentumsverschaffung an
Waren) zuzusagen, niemals aber diese Vermögensänderung selbst bewirkt. So
ist z. B. der Kauf ein Verpflichtungsgeschäft: von beiden Seiten wird eine
Leistung zugesagt (Leistung des Preises, Leistung der Ware). Aber der Kauf-
vertrag selber bewirkt die Leistung nicht. Es muß ein zweites Rechtsgeschäft
(Übereignung des Geldes, der Ware) hinzukommen, das die Leistung vollzieht,
welche die gewollte Vermögensänderung nicht bloß in Aussicht stellt, sondern
Arten der
Rechtsgeschäfte.