System des bürgerlichen Rechts. A. Allgemeine Lehren. 95
spielt im bürgerlichen Gesetzbuch nur noch eine ganz untergeordnete Rolle.
Die Sicherung des Verkehrs wird durch andere viel weiter greifende, sofortige
Erwerbswirkung schaffende Rechtssätze erreicht: durch die Rechtssätze von
der Legitimation.
Legitimation ist nicht Verfügungsberechtigung, aber sie ersetzt die Ver-
fügungsberechtigung für den Verkehr. Sie macht das Verfügungsgeschäft des
Nichtberechtigten wirksam zu Lasten des in Wahrheit Berechtigten, zugunsten
des gutgläubigen Verfügungserwerbers. Legitimation ist der für den Ver-
kehr ausreichende Ausweis der Verfügungsberechtigung. Wer legitimiert ist,
d.h. wer solchen Ausweis besitzt, gilt zugunsten des gutgläubigen Verkehrs
als verfügungsberechtigt, mag er in Wahrheit berechtigt sein oder nicht
Eine ganze Reihe von Rechtssätzen des bürgerlichenGesetzbuchs handelt
von der Legitimation, von den Vorschriften „zugunsten derjenigen, welche
Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten‘‘, d.h. von dem Erwerbe durch
Verfügung eines Nichtberechtigten. Für den Fahrnisverkehr legitimiert der
Besitz: der gutgläubige Erwerb durch Verfügung des Besitzers der beweg-
lichen Sache ist grundsätzlich (falls nicht die Sache dem wahren Eigentümer
wider Willen abhanden gekommen war) sofort wirksamer Erwerb (es bedarf
keiner Ersitzung). Für den Liegenschaftsverkehr legitimiert die Eintragung
“ im Grundbuch: der gutgläubige Erwerb von dem, der als berechtigt im Grund-
buch eingetragen steht, ist grundsätzlich ein sofort wirksamer Erwerb, auch
wenn der im Grundbuch Eingetragene in Wahrheit nicht der Berechtigte ist.
Die Gläubigerlegitimation behält der bisherige Gläubiger dem gutgläubigen
Schuldner gegenüber, auch wenn die Gläubigerschaft des bisherigen Gläubigers
durch Abtretung der Forderung an einen Dritten bereits ihr Ende erreicht hat:
solange der Schuldner von der geschehenen Abtretung keine Kenntnis hat,
kann der bisherige Gläubiger ihm wirksam die Schuld erlassen, ihn durch Zah-
lungsannahme von der Schuld befreien usf. Die Erbenlegitimation wird durch
den Erbschein begründet. Wer durch einen Erbschein als Erbe ausgewiesen
ist, kann zugunsten des gutgläubigen Dritten wirksam alle Verfügungen vor-
nehmen, wie wenn er der wirkliche Erbe wäre, mag er nun in Wahrheit Erbe
sein oder nicht: ihm können die Erbschaftsschuldner wirksam zahlen, er kann
eine Erbschaftsforderung wirksam abtreten usf. Immer hat der Legitimierte
zugunsten des gutgläubigen Verkehrs die Rolle eines Verfügungsberechtigten
(bzw. eines Erbberechtigten).
Die Rechtssätze über die Legitimation, von denen im vorigen nur einige
Beispiele gegeben sind, finden sich in den mannigfachsten Formen überall im
bürgerlichen Gesetzbuche. Sie sind über das gesamte neue Recht ausgebreitet
und geben dem Verkehrsrecht des bürgerlichen Gesetzbuchs sein eigenartiges
Gepräge. Sie gelten für alle Arten der Verfügungsgeschäfte (Leistungsgeschäfte).
Sie sichern den gutgläubigen Verkehr schlechtweg. Legitimation ist nach dem
bürgerlichen Gesetzbuche besser, stärker, als Berechtigung. Die Geldwirtschaft,
die einen unausscheidbaren Bestandteil der Kultur der Gegenwart bedeutet,
hat auch die Rechtssätze des bürgerlichen Gesetzbuchs von der Legitimation