System des bürgerlichen Rechts. B. Das Recht der Schuldverhältnisse. 109g
gegen, daß die Vermögenslage, auch der Bildungsgrad des Mieters nicht selten
den Hausbesitzer zur Vorsicht in der Wahrung seiner Interessen nötigt. Was
die Gesetzgebung zu leisten außerstande ist, das muß auch hier, wie in zahl-
reichen anderen Fällen, durch Organisation der Beteiligten erreicht werden.
Schon sind in nicht wenigen Städten den Hausbesitzervereinen Mietervereine
gegenübergetreten, denen das beste Gedeihen zu wünschen ist. Sie dienen der
Organisation des Kampfes um das Mietrecht. Ihr Ziel und ihre Aufgabe ist, bei
Feststellung des Mietvertrags die einseitige Geltendmachung des Hausbesitzer-
interesses auszuschließen und den Mieter, in dessen Person kein besonderer
Grund des Anstoßes begründet ist, durch einen gerechten Mietvertrag vor der
Übermacht des Hausbesitzers zu schützen.
Das Mietverhältnis ist ein bloßes Schuldverhältnis. Darin beruht eine
gewisse Schwäche sowohl der vermieterischen, wie der mieterischen Rechte,
um derentwillen das Gesetz bestimmte Sicherungen der gegenseitigen Rechts-
befugnisse verordnet hat.
Der Vermieter ist Gläubiger auf den Mietzins sowie auf etwa vom Mieter Rechte des Ver-
zu leistenden Schadensersatz. Er würde, falls sein Mieter zahlungsunfähig it, —
kraft seines bloßen Forderungsrechts nur konkursmäßige, d.h. nur teilweise
Befriedigung seiner Mietforderung, gleich den übrigen Gläubigern, erlangen.
Das würde nicht bloß den Vermieter, sondern auch den Mieter schädigen, da
dieser bei unzulänglichen Vermögensverhältnissen des nötigen Kredits, dessen
es zum Abschluß des Mietvertrags bedarf, entbehren würde. Um den Vermieter
zu sichern und zugleich den Mieter miet-kreditfähig zu machen, gibt daher
das bürgerliche Gesetzbuch dem Vermieter eines Grundstücks, ebenso wie das
schon früher geltende Recht, ein gesetzliches Pfandrecht an den eingebrachten Pfandrecht.
Sachen des Mieters, also vor allem an dem Mobiliar des Mieters. Kraft dieses
seines Pfandrechts hat der Vermieter ein bevorzugtes Befriedigungsrecht, das
ihn auch bei sonstiger Zahlungsunfähigkeit des Mieters sichert, vorausgesetzt
nur, daß die eingebrachten Sachen wirklich Eigentum des Mieters sind. Gehört
das Mobiliar nicht dem Mieter, sondern z. B. seiner Frau, so ist es dem Gläubiger
nicht pfandrechtlich verhaftet, es sei denn, daß die Frau den Mietvertrag mit
abgeschlossen hat. Durch Entfernung der Sachen vom Grundstück erlischt
grundsätzlich das vermieterische Pfandrecht. Darum hat der Vermieter, falls
der Mieter die Sachen ordnungswidrig vom Grundstück entfernen will, ein
Widerspruchsrecht, ja ein Recht der Selbsthilfe (das Sperrecht). Er ist be-
rechtigt, eigenmächtig die Entfernung der Sachen zu verhindern, und, falls der
Mieter ausziehen sollte, ohne die Mietverbindlichkeiten erfüllt zu haben, die
Sachen in seinen Besitz zu nehmen. Aber auch diesen vermieterischen Rechten
gegenüber bleibt das Lebensinteresse des Mieters nicht ungewahrt. Das bürger-
liche Gesetzbuch schließt die nicht pfändbaren Sachen des Schuldners von dem
vermieterischen Pfandrecht aus. Nicht pfändbar sind vor allem die für den
Schuldner unentbehrlichen Kleidungsstücke, Betten, Wäsche, Haus- und
Küchengeräte. Das bürgerliche Gesetzbuch hat damit das Verbot der sog.
Kahlpfändung aufgestellt, wiederum ein Satz sozialen Sinnes, der einen not-