Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

System des bürgerlichen Rechts. B. Das Recht der Schuldverhältnisse. 109g 
gegen, daß die Vermögenslage, auch der Bildungsgrad des Mieters nicht selten 
den Hausbesitzer zur Vorsicht in der Wahrung seiner Interessen nötigt. Was 
die Gesetzgebung zu leisten außerstande ist, das muß auch hier, wie in zahl- 
reichen anderen Fällen, durch Organisation der Beteiligten erreicht werden. 
Schon sind in nicht wenigen Städten den Hausbesitzervereinen Mietervereine 
gegenübergetreten, denen das beste Gedeihen zu wünschen ist. Sie dienen der 
Organisation des Kampfes um das Mietrecht. Ihr Ziel und ihre Aufgabe ist, bei 
Feststellung des Mietvertrags die einseitige Geltendmachung des Hausbesitzer- 
interesses auszuschließen und den Mieter, in dessen Person kein besonderer 
Grund des Anstoßes begründet ist, durch einen gerechten Mietvertrag vor der 
Übermacht des Hausbesitzers zu schützen. 
Das Mietverhältnis ist ein bloßes Schuldverhältnis. Darin beruht eine 
gewisse Schwäche sowohl der vermieterischen, wie der mieterischen Rechte, 
um derentwillen das Gesetz bestimmte Sicherungen der gegenseitigen Rechts- 
befugnisse verordnet hat. 
Der Vermieter ist Gläubiger auf den Mietzins sowie auf etwa vom Mieter Rechte des Ver- 
zu leistenden Schadensersatz. Er würde, falls sein Mieter zahlungsunfähig it, — 
kraft seines bloßen Forderungsrechts nur konkursmäßige, d.h. nur teilweise 
Befriedigung seiner Mietforderung, gleich den übrigen Gläubigern, erlangen. 
Das würde nicht bloß den Vermieter, sondern auch den Mieter schädigen, da 
dieser bei unzulänglichen Vermögensverhältnissen des nötigen Kredits, dessen 
es zum Abschluß des Mietvertrags bedarf, entbehren würde. Um den Vermieter 
zu sichern und zugleich den Mieter miet-kreditfähig zu machen, gibt daher 
das bürgerliche Gesetzbuch dem Vermieter eines Grundstücks, ebenso wie das 
schon früher geltende Recht, ein gesetzliches Pfandrecht an den eingebrachten Pfandrecht. 
Sachen des Mieters, also vor allem an dem Mobiliar des Mieters. Kraft dieses 
seines Pfandrechts hat der Vermieter ein bevorzugtes Befriedigungsrecht, das 
ihn auch bei sonstiger Zahlungsunfähigkeit des Mieters sichert, vorausgesetzt 
nur, daß die eingebrachten Sachen wirklich Eigentum des Mieters sind. Gehört 
das Mobiliar nicht dem Mieter, sondern z. B. seiner Frau, so ist es dem Gläubiger 
nicht pfandrechtlich verhaftet, es sei denn, daß die Frau den Mietvertrag mit 
abgeschlossen hat. Durch Entfernung der Sachen vom Grundstück erlischt 
grundsätzlich das vermieterische Pfandrecht. Darum hat der Vermieter, falls 
der Mieter die Sachen ordnungswidrig vom Grundstück entfernen will, ein 
Widerspruchsrecht, ja ein Recht der Selbsthilfe (das Sperrecht). Er ist be- 
rechtigt, eigenmächtig die Entfernung der Sachen zu verhindern, und, falls der 
Mieter ausziehen sollte, ohne die Mietverbindlichkeiten erfüllt zu haben, die 
Sachen in seinen Besitz zu nehmen. Aber auch diesen vermieterischen Rechten 
gegenüber bleibt das Lebensinteresse des Mieters nicht ungewahrt. Das bürger- 
liche Gesetzbuch schließt die nicht pfändbaren Sachen des Schuldners von dem 
vermieterischen Pfandrecht aus. Nicht pfändbar sind vor allem die für den 
Schuldner unentbehrlichen Kleidungsstücke, Betten, Wäsche, Haus- und 
Küchengeräte. Das bürgerliche Gesetzbuch hat damit das Verbot der sog. 
Kahlpfändung aufgestellt, wiederum ein Satz sozialen Sinnes, der einen not-
	        
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