System des bürgerlichen Rechts. B. Das Recht der Schuldverhältnisse. I 3
Im bürgerlichen Gesetzbuche konnten selbstverständlich nicht alle verschiede-
nen Arbeitsverhältnisse mit dem ihnen zukommenden Sonderrechte ausgestattet
werden. Das mußte den neben dem bürgerlichen Gesetzbuche geltenden Sonder-
gesetzen vorbehalten bleiben: der Gewerbeordnung, dem Handelsgesetzbuche usf.
Aber dem bürgerlichen Gesetzbuche fiel die Aufgabe zu, das allgemeine, für
alle Arbeitsverhältnisse geeignete, in das Sonderrecht der einzelnen Arbeits-
verträge ergänzend eingreifende Recht zu schaffen. Das ist die Bedeutung
der Rechtssätze des bürgerlichen Gesetzbuchs vom Dienstvertrage. Sie stellen
den großen Rahmen dar, in den das Sonderrecht aller einzelnen Dienstverträge
sich einfügt, durch den zugleich Ziel und Richtung für eine soziale Gestaltung
des Arbeitsrechts gegeben ist.
Die Aufgabe ist vom bürgerlichen Gesetzbuche gelöst worden. Der Dienst-
verpflichtete ist in der Regel der abhängige, schwächere Teil. Darum ist natur-
gemäß die Mehrzahl der Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs zum Schutze
des Dienstverpflichteten bestimmt, zum Schutze seines Anspruchs auf die Ver-
gütung und zum Schutze seiner Person.
Die Vergütung ist im Zweifel erst nach Leistung der Dienste, also post- Recht auf die
numerando zu entrichten. Kommt aber der Dienstberechtigte mit Annahme “*
der Dienste in Verzug, sei es schuldhafterweise (der auf Unterricht Berechtigte
versäumt z.B. willkürlich den Unterricht), oder ohne Schuld (das Fabrik-
gebäude ist z. B. abgebrannt und der Fabrikant außerstande, seine Arbeiter
zu beschäftigen), so kann der Dienstverpflichtete doch die vereinbarte Ver-
gütung verlangen, wenngleich er sich dasjenige anrechnen lassen muß, was er
infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart hat oder anderweitig durch
Arbeit zu erwerben böswillig unterläßt. Auch dadurch wird der Dienst-
verpflichtete des Vergütungsanspruchs nicht verlustig, daß er für eine verhältnis-
mäßig kurze Zeit unverschuldeterweise seinerseits an der Dienstleistung ver-
hindert ist (Gelder aus der gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung
muß er sich aber anrechnen lassen).
Dem Schutz der Person des Dienstverpflichteten dienen die Vorschriften Fürsorgepfiicht
des bürgerlichen Gesetzbuchs über die sog. Fürsorgepflicht des Dienstherrn. ** "nern.
Dem in die häusliche Gemeinschaft Aufgenommenen, dessen Erwerbstätigkeit
durch das Dienstverhältnis dauernd und vollständig oder doch hauptsächlich
in Anspruch genommen ist, hat der Dienstherr im Falle der Erkrankung Ver-
pflegung und ärztliche Behandlung sechs Wochen lang zu gewähren, es sei denn,
daß das Dienstverhältnis (z. B. infolge gesetzlich zulässiger Kündigung) früher
endigt. Der Dienstherr hat ferner dem in die häusliche Gemeinschaft Auf-
genommenen Wohn- und Schlafraum, Verpflegung, Erholungszeiten der Art
zu gewähren, wie die Rücksicht auf die Gesundheit, die Sittlichkeit und die
Religion des Dienstverpflichteten es erfordert. In jedem Dienstverhältnis hat
der Dienstherr die Räume, Vorrichtungen, Gerätschaften, überhaupt die Leistung
der Dienste so einzurichten, daß der Dienstverpflichtete gegen Gefahr für Leben
und Gesundheit soweit als möglich geschützt ist. Bei der Verletzung der Für-
sorgepflicht muß der Dienstberechtigte vollen Schadensersatz leisten. Die Vor-
Kultur der Gegenwart. II. 8. 2. Aufl. 8