Rezeption des
römischen
Sachenrechts.
Das neuzeitliche
Sachenrecht.
118 RupoLpH SoHM: Bürgerliches Recht.
ursprünglich nur dem Beweise diente, ward zu einem wesentlichen Bestandteil
des Rechtserwerbsgrunds selbst.
Als das römische Recht in Deutschland aufgenommen wurde, ging dem
Grundbesitz seine privatrechtliche Sonderstellung verloren. Die Zeit der Geld-
wirtschaft war gekommen. Die Fahrnis trat ihre Herrschaft an. Auch der
Grundbesitz ward Geld, d.h. bewegliches Vermögen. Dem entsprach das
nivellierende, keinen Unterschied zwischen Fahrnis und Liegenschaft kennende
römische Sachenrecht, das sich nunmehr als gemeines deutsches Sachenrecht
durchsetzte. Das Grundstück ward privatrechtlich mobilisiert, und wie der
Fahrnisverkehr so vollzog sich nunmehr auch der Liegenschaftsverkehr durch
formlose Besitzübergabe (Traditionsprinzip). Die öffentliche Form der Liegen-
schaftsübertragung verschwand aus den meisten Land- und Stadtrechten.
Nur in einigen norddeutschen Städten blieb die Auflassung zu Stadtbuch, und
in einigen Landrechten, insbesondere im gemeinen Sachsenrecht, die gericht-
liche Bestätigung des Veräußerungsgeschäfts (investitura allodialis) als Rest des
alten Investiturrechts übrig.
Aber die altdeutsche Unterscheidung von Liegenschaft und Fahrnis und
mit ihr die altdeutsche Feierlichkeit der gerichtlichen Investitur hat in neuerer
Zeit eine Auferstehung erfahren. Seit dem 18. Jahrhundert setzt die Entwicke-
lung des neuzeitlichen Grundbuchrechts ein, das den Grundbesitzverkehr
wiederum mit öffentlichen Formen bekleidete. Die österreichische Gesetz-
gebung machte den Anfang. Ihren Anregungen folgte Preußen. Im 19. Jahr-
hundert ist eine immer größer werdende Zahl von Landesrechten auf den Boden
des neuen Rechts getreten.
Der Sinn des neuen Rechts war jedoch ein anderer, als der des alten. Wenn
zwei Zeitalter dasselbe tun, ist es nicht dasselbe. Es war nicht mehr die Natural-
wirtschaft, sondern die Geldwirtschaft, welche die privatrechtliche Sonder-
stellung des Grundbesitzes verlangte. Ihren Ausgang nahm die neuzeitliche
Entwickelung vom Hypothekenrecht. Das Grundstück ist naturgemäß der
beste Träger des Realkredits. Es galt, der Grundstücksverpfändung eine Form
zu schaffen, die den Gläubiger wirklich sicherte. Zu diesem Zwecke ist die Ver-
pfändung des Grundstücks durch Eintragung in ein öffentliches Buch von der
neueren Gesetzgebung ausgebildet worden. Regelmäßig, so im preußischen
Landrecht, war das dem Grundbesitz dienende öffentliche Buch zunächst
bloßes Hypothekenbuch, d.h. nur für den Hypothekenverkehr bestimmt. An
Stelle des Hypothekenbuchs ist dann erst in neuerer Zeit in den meisten Rechten
das dem Grundbesitzverkehr überhaupt dienende Grundbuch getreten. Das
geldwirtschaftliche Bedürfnis nach Sicherung des Gläubigers ist die Kraft,
welche die ganze grundbuchrechtliche Entwickelung der neueren Zeit er-
zeugt hat.
Das bürgerliche Gesetzbuch hat selbstverständlich sein Sachenrecht auf
Grund der neuzeitlichen Entwickelung gestaltet. Das römische einheitliche
Sachenrecht für alle Sachen ist verschwunden. Kraft des bürgerlichen Gesetz-
buchs gilt heute, wie einst im Mittelalter, zweierlei Sachenrecht, das durch