Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

System des bürgerlichen Rechts. C. Das Sachenrecht. IIQ 
ganz verschiedene Grundgedanken bestimmt wird: ein Sachenrecht für Fahrnis, 
ein anderes für Liegenschaften. 
Ill. Fahrnisrecht. Für das Fahrnisrecht gilt das Traditionsprinzip: Traditionsprinzip 
den Fahrnisverkehr vermittelt die formlose Übergabe des Besitzes. Die bloße " “ahmmisrecht, 
Willenseinigung über Rechtsübertragung genügt grundsätzlich nicht. Die Be- 
sitzübergabe muß hinzukommen. Aber die Besitzübergabe ist an keinerlei 
Förmlichkeit gebunden. So geschieht die Veräußerung von beweglichen Sachen 
durch formlose Besitzübergabe zu Eigentum, die Nießbrauchsbestellung durch 
formlose Übergabe zu Nießbrauch, die Verpfändung durch formlose Übergabe 
zu Pfandrecht (mit der Übergabe verbindet sich die Willenseinigung der 
Parteien, welche die Art des zu begründenden Rechts bestimmt). 
Veräußerung, Nießbrauchsbestellung, Verpfändung sind Verfügungsge- 
schäfte (unmittelbar Rechtsänderung bewirkende Rechtsgeschäfte). Der Siche- 
rung ihrer Wirkung für den Fahrnisverkehr dienen die Rechtssätze von der 
Legitimation (vgl. oben S. 93. 94). Auch diesen Rechtssätzen liegt altdeutsches 
Recht zugrunde, das von der neuzeitlichen Gesetzgebung mit neuem Inhalt 
erfüllt ist. 
Im Mittelalter galt für Fahrnis der Rechtssatz: Hand wahre Hand. nr 
Hatte jemand Fahrnis freiwillig aus der Hand gegeben, z. B. indem er sie einem | 
anderen lieh oder in Verwahrung gab, so mußte die Hand des Gebers durch die 
Hand des Empfängers gewahrt (geschützt) werden. War der Empfänger treulos 
und veräußerte die Sache an einen Dritten, so stand dem, der die Sache frei- 
willig weggegeben hatte, kein Herausgabeanspruch gegen den dritten Besitzer 
zu. Er konnte sich nur an den Empfänger halten und von ihm Schadensersatz 
begehren (,,wo man seinen Glauben gelassen hat, da muß man ihn suchen‘'). 
Nur bei unfreiwilligem Besitzverlust (die Sache war gestohlen oder sonstwie 
ohne Willen abhanden gekommen) war dem, der den Besitz verloren hatte, ein 
dinglich wirkender Herausgabeanspruch gegen jeden dritten Besitzer zuständig. 
Es leidet keinen Zweifel, daß dieser unvollkommene Fahrnisschutz in der Un- 
entwickeltheit des älteren Rechts beruhte, das in der Hauptsache nur Delikts- 
ansprüche kannte. Bei unfreiwilligem Besitzverlust war eine Diebstahlsklage 
möglich, die gegen den gegenwärtigen Sachbesitzer als solchen erhoben werden 
konnte; bei freiwilligem Besitzverlust war die Diebstahlsklage ausgeschlossen 
und eine Deliktsklage (die Treubruchsklage) nur gegen den ersten Empfänger 
der Sache denkbar. Die reine Eigentumsklage, die ohne Vermittelung eines 
deliktsmäßigen Tatbestandes das Eigentum als solches gegen jeden Dritten 
schützt, ist erst durch Aufnahme des römischen Rechts (der römischen rei 
vindicatio) nach Deutschland gekommen. Auch an dieser Stelle brachte die 
Rezeption einen Fortschritt, der innerlich notwendig geworden war. Die römi- 
sche rei vindicatio bedeutete das Verschwinden des Satzes: Hand wahre Hand. 
Nur in einzelnen Städten (den Städten des lübischen Rechts) hielt der Buch- 
stabe des geschriebenen Stadtrechts den alten Rechtssatz aufrecht. 
Aber auch hier trat durch die neuzeitliche Gesetzgebung eine Wieder-
	        
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