Verhältnis zum
„christlichen“
Ehescheidungs-
recht.
Personenrecht-
liche Wirkung
der Ehe.
Inhalt der
ehemännlichen
Gewalt.
134 RUDOLPH SOHM: Bürgerliches Recht.
wandlung des Aufhebungsurteiles in volles Scheidungsurteil verlangt werden:
dann ist die Möglichkeit der Wiederherstellung der Ehe durch rein tatsächlichen
Vorgang ausgeschlossen und steht jedem Teile die anderweitige Wiederverhei-
ratung frei.
Die Scheidungsgründe des bürgerlichen Gesetzbuches (kraft deren ent-
weder Scheidung oder Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft gefordert werden
kann) gehen über die sog. schriftgemäßen Scheidungsgründe weit hinaus. Sie ge-
statten dem richterlichen Ermessen einen ziemlich freien Spielraum. Mit Recht.
Christliche Liebe trägt auch die zerrüttete Ehe. Aber die Anforderungen christ-
licher Sittlichkeit können und sollen nicht vom Gesetzgeber zwangsweise durch-
gesetzt werden. Aus nationalen Gründen, um der Gesundheit und Kraft des Fa-
milienlebens willen, darf die Ehe kein willkürlich lösliches Band sein. Die Ehe
muß als der Laune des Einzelnen überlegene Macht zwangsweise durch Rechts-
gesetz aufrechterhalten werden. Aber die alles überwindende Kraft christlicher
Liebe auch bei innerlich gebrochener Ehe durch Rechtsgesetz fordern wollen,
ist wider das Christentum. Dadurch wird keine christliche Ehe geschaffen. Im
Gegenteil, solche Unlöslichkeit ist die Beförderung des Ehebruches. Christliche
Ehe kann durch keine gesetzliche Einschränkung der Scheidung gemacht werden.
Nur die freie Tat hat christlich-sittlichen Wert. Aus religiösen Gründen ist die
Trennung von Recht und Religion zu fordern. Dieser Gedanke ist es, der, wie
im Eheschließungsrecht, so auch im Ehescheidungsrecht des bürgerlichen Ge-
setzbuches sich widerspiegelt.
IV. Ehemännliche und ehefräuliche Gewalt. Der Mann ist das
Haupt der Ehe. Diesen Satz hat das bürgerliche Gesetzbuch aufrechterhalten.
Er liegt in der Natur der Ehe begründet. Überall sonst ist der Geschlechts-
unterschied aus dem Gebiet des Privatrechts verschwunden: die Frau ist dem
Manne privatrechtlich gleichberechtigt (oben S. 86). Die Ehe aber beruht auf
dem Geschlechtsunterschiede. Das Wesen der Ehe ist die einander ergänzende
verschiedene Lebensbetätigung und Stellung von Mann und Frau.
Der Mann hat die ehemännliche Gewalt. Aber seine Gewalt ist nicht mehr
die barbarische unbedingte Gewalt über Tod und Leben, über Freiheit und Be-
sitz der Frau, wie einst zur Zeit der Urwälder. Sie ist auch nicht mehr die Er-
ziehungs- und Züchtigungsgewalt, die noch das Recht des Mittelalters dem
Manne wie über seine Kinder so über seine Frau gewährte. Sie ist überhaupt
nicht mehr Vormundschaft, als ob die Frau unmündig, unerzogen und dem
Manne nicht gleichwertig wäre. Sie ist nur noch Entscheidungsgewalt in den
Fragen der ehelichen Lebensgemeinschaft. Von Rechts wegen steht dem
Manne die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben be-
treffenden Angelegenheiten zu. Da bei Meinungsverschiedenheit stets Stimmen-
gleichheit gegeben ist, so muß Einem die für das Rechtsgebiet maßgebende
Entscheidung zustehen, und dieser Eine kann nur der Mann sein: wer das Haus
erhält, der ist von Rechts wegen der Herr des Hauses.
Insoweit gibt das bürgerliche Gesetzbuch nur den Standpunkt wieder, zu