System des bürgerlichen Rechts. D. Das Familienrecht. 135
dem schon die voraufgehende deutsche Rechtsentwickelung seit der Aufnahme
des römischen Rechtes gelangt war. Das Neue im bürgerlichen Gesetzbuch ist,
daß der Entscheidungsgewalt des Mannes Grenzen gezogen sind: stellt die Ent-
scheidung des Mannes sich als Mißbrauch seines Rechtes dar, so ist die Frau
nicht folgepflichtig. Die Gehorsamspflicht der Frau ist nicht mehr die eines
Kindes, sondern die einer ebenbürtigen, gleich urteilsfähigen Persönlichkeit.
Mit der Unterordnung der Frau ist das Recht zur Wahrung ihrer Würde ver-
bunden. Ja, der Geist der ehelichen Liebe erscheint an dieser Stelle in eigner
Person auf dem Gebiet des Rechtes: Mißbrauch der ehemännlichen Entschei-
dungsgewalt (z. B. über die Art der Arbeit oder sonstigen Lebenshaltung der
Frau) liegt vor, wenn die Entscheidung des Mannes nicht aus dem Geist rechter
ehelicher Liebe geflossen ist. Die wahre eheliche Gesinnung läßt sich nicht er-
zwingen — es gibt darum keine Zwangsvollstreckung gegen den dem Wesen
ehelicher Lebensgemeinschaft zuwider handelnden Ehegatten —, aber bei dem
Mangel rechter ehelicher Gesinnung versagt die ehemännliche Gewalt.
Die ehemännliche Gewalt ist durch das bürgerliche Gesetzbuch ihrer Härten
entkleidet worden. Zugleich hat die ehefräuliche Gewalt eine gewisse Steigerung Eheträuliche
erfahren. Schon das frühere deutsche Recht hatte die ehefräuliche „‚Schlüssel-
gewalt‘‘ ausgebildet: Küche und Keller waren das Machtgebiet der Frau, zu-
gleich die Rechtsgeschäfte, die dazu gehören. Das bürgerliche Gesetzbuch gibt
der Frau auch von Rechts wegen nicht bloß Küche und Keller, sondern die
Leitung des gemeinschaftlichen Hauswesens. Die Frau ist naturgemäß die
Seele des ganzen Hauswesens. Wie die Frau, so ist das Haus. Die Schlüssel-
gewalt der Frau gibt ihr nach dem bürgerlichen Gesetzbuch Macht nicht bloß
über die Rechtsgeschäfte für Küche und Keller, sondern überhaupt über die
Rechtshandlungen innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises. Sie verfügt
durch solche Rechtsgeschäfte (wenn sie z. B. Dienstboten annimmt oder ihnen
den Lohn zahlt) wirksam über das Vermögen des Mannes. Zwar ist dem Manne
die oberste Entscheidungsgewalt auch über dies Gebiet vorbehalten. Er hat
ein Verbietungsrecht. Ja, er kann die Schlüsselgewalt der Frau durch sein Ver-
bot allgemein einschränken, sogar ausschließen, falls nicht in solcher Handlung
ein Mißbrauch seiner Gewalt liegt (dann kann die Frau gegen den Mann den
Schutz des Vormundschaftsgerichtes anrufen). Aber hier ist schon durch die
Natur der Dinge dafür gesorgt, daß die Bäume des Mannes nicht in den Himmel
wachsen: innerhalb des Hauswesens ist die Frau die geborene Herrscherin.
Die ehemännliche Gewalt ist auch nach dem bürgerlichen Gesetzbuch die
Kraft, in der die Ordnung der Ehe ruht. Aber die ehemännliche Gewalt ist
durch das bürgerliche Recht der Gegenwart mit dem vollen Schutze der ehe-
fräulichen Persönlichkeit verbunden worden.
V. Eheliches Güterrecht. Dem ehelichen Gewaltverhältnis ent- Güterrechtliche
sprechend ist das eheliche Güterrecht geordnet. Gesetzliches Güterrecht ist Wirkung der Ehe,
die sog. Verwaltungsgemeinschaft. Soweit nicht bestimmtes Vermögen der
Frau vorbehalten ist (Vorbehaltsgut), hat der Mann die Verwaltung und