System des bürgerlichen Rechts. D. Das Familienrecht. 137
keinen Vater. Es gehört der Familie seiner Mutter an. Der außerehelichen
Mutter aber ist keine elterliche Gewalt zuständig. So ist das uneheliche Kind
von vornherein unter Vormundschaft. Die Fürsorge eines Vormunds erscheint
für das uneheliche Kind als das Bessere.
Die unehelichen Kinder sind die Schmerzenskinder der Nation. Ihr Vor- Vneheliche
handensein ist das Symptom sittlicher und sozialer Schäden des Volkslebens.
Das mittelalterliche deutsche Recht brachte, und zwar insbesondere in seiner Mittelalterliches
späteren, durch den Einfluß der Kirche bestimmten Entwickelung, die Miß- necht.
billigung der unehelichen Geburt durch harte Rechtssätze gegen das uneheliche
Kind zum Ausdruck. Der unehelich Geborene war ‚‚rechtlos‘‘, d.h. ehrlos.
Er entbehrte der Persönlichkeitsrechte, d.h. der bürgerlichen Ehrenrechte (zu
denen auch Buße und Wergeld gehörten). Er konnte kein öffentliches Amt be-
kleiden, noch als Zunftgenosse ein ‚ehrliches‘‘ Handwerk üben. Ja, er entbehrte
der Familie. Er hatte rechtlich weder Vater noch Mutter, war mit niemandem
verwandt. Er war ein sippeloser, elender, von der Gesellschaft ausgestoßener
Mensch und fiel, gleich anderen Hilflosen (zu denen das spätere mittelalterliche
Recht z. B. auch die Juden rechnete), unter die königliche ‚Vormundschaft‘.
Aber der König pflegte sich des Bastards erst zu erinnern, wenn dieser ohne
Hinterlassung von ehelichen Kindern (gültig heiraten konnte er) gestorben war:
die Erbschaft des kinderlosen Unehelichen fiel als freies Gut (Verwandte waren
nicht da) in die königliche Gewalt (sog. Bastardsrecht). Die entscheidende
Wendung zur Besserung ging hier durch die Aufnahme des römischen Rechtes Aufnahme des
vor sich. Seit dem 16. Jahrhundert galt der Uneheliche (dem römischen Recht en
entsprechend) als zur Familie der Mutter gehörig: mit seiner Mutter und deren
Familie ist er ebenso verwandt (auch für den Anspruch auf Unterhalt) wie das
eheliche Kind. Aber dem außerehelichen Vater gegenüber hat er keine Kindes-
rechte, sondern nur einen beschränkten (lediglich auf das Notdürftige gehenden)
Unterhaltsanspruch, wie umgekehrt der außereheliche Vater über ihn keine
Vaterrechte hat. So das seit Aufnahme des römischen Rechtes ausgebildete
gemeine deutsche Recht. Die neuere Landesgesetzgebung hat einerseits dem Neuere Landes-
unehelichen Kinde jeden Unterhaltungsanspruch gegen seinen Erzeuger ver- gselzgebung.
sagt (so das französische Recht: la recherche de la paternite est interdite);
andererseits die Rechte des Unehelichen auf Unterhalt und Erbschaft seines
Erzeugers gesteigert (so das preußische Landrecht). Das bürgerliche Gesetz-
buch hat hier im wesentlichen den Standpunkt des gemeinen Rechtes fest- Bürgerliches
gehalten. Es gibt dem unehelichen Kinde gegen seinen Vater (mit dem es Gesetzbuch,
familienrechtlich nicht verwandt ist) lediglich einen beschränkten Unterhalts-
anspruch: nur bis zum vollendeten 16. Jahre, aber nicht bloß auf den not-
dürftigen, sondern auf den der Lebensstellung der Mutter entsprechenden Unter-
halt, und zwar nach Art nicht bloß (wie beim ehelichen Kinde) eines personen-
rechtlichen, sondern eines schuldrechtlichen (auch den Erben des Erzeugers
treffenden, von der Bedürftigkeit des Berechtigten und der Leistungsfähigkeit
des Verpflichteten unabhängigen) Anspruchs. Das uneheliche Kind ist, anders
als das eheliche, in bezug auf den Unterhalt ein Gläubiger seines Vaters.